Montana 04 - Vipernbrut
die Ladefläche seines Pickups verfrachten. Sobald er die Plane darübergedeckt hatte, konnte er unbemerkt mit seiner kostbaren Fracht in die Stadt fahren.
Er erreichte die große Höhle.
Seine Lieblinge waren allesamt hier, warteten auf ihn.
Bereit, in einen Mantel aus Eis gekleidet und sorgfältig bearbeitet zu werden, bevor sie der Öffentlichkeit vorgeführt wurden.
Niemand schien die Bedeutsamkeit seiner Kunst zu verstehen, den Schmerz, den er hatte ertragen müssen, die qualvolle Zeit, die er damit zugebracht hatte, peinlich genau seine Objekte zu wählen und ihre Entführungen zu planen. Und dann erst die Probleme, die es ihm bereitete, sie so lange versteckt zu halten, bis sie fertig waren, von den Mühen, die ihn ihre perfekte Gestaltung kostete, ganz zu schweigen! Die Polizei hatte bisher mit keinem Wort erwähnt, wie kunstvoll, wie einzigartig sein Werk war.
Alles, woran sie dachten, war, »den Mörder zu schnappen«.
Etwas anderes interessierte sie nicht.
Sheriff Dan Grayson hatte neben dem Officer für Öffentlichkeitsarbeit auf den Stufen zum Büro des Sheriffs von Pinewood County gestanden, doch das Reden hatte er der tough wirkenden Frau neben ihm überlassen. Nachdem sie eine vorbereitete Stellungnahme abgegeben hatte, war er, ohne Fragen zu beantworten, ins Gebäude zurückgekehrt.
Das liegt daran, dass sie nicht über den Tellerrand blicken können. Du hast ihnen Angst eingejagt. Sie haben keine Ahnung, was sie tun sollen, aber irgendetwas müssen sie ja sagen, also geben sie ein paar Informationen heraus, bitten die Öffentlichkeit um Unterstützung und Ende. Was an und für sich keine schlechte Sache ist. Es bedeutet, dass du die Kontrolle hast.
Die Reporter waren auch nicht viel besser. Einer hatte sogar berichtet, das Opfer sei »in einem Eisblock« entdeckt worden. Niemand hatte erwähnt, welche Detailarbeit in diesen exquisiten Formen steckte, welch herausragendes handwerkliches Geschick, welche Kunstfertigkeit.
Idioten! Dummköpfe!
Er ballte die Faust und musste innerlich bis zehn zählen, damit seine ruhigere innere Stimme zu ihm durchdringen konnte.
Was hattest du denn erwartet? Du wirst es ihnen zeigen müssen! Werde plakativer! Entführ jemanden, der bekannter ist, eine Person, die alle in der Gemeinde, in ganz Grizzly Falls kennen! Die Reporterin, die vor der Krippe gestanden hatte, gäbe eine gute Kandidatin ab. Sie war selbstbewusst, hatte eine forsche Zunge und eine makellose Haut … Nein! Die Frau würde bloß ein weiteres hübsches Gesicht sein, doch es gab eine viel bessere, eine Frau, auf die die Stadt stolz war, die bewiesen hatte, wie clever sie war.
Er lächelte in sich hinein, als er an Selena Alvarez dachte. Sie war schön. Intelligent. Viel zitiert von den Zeitungen. Oft auf dem Bildschirm zu sehen. Eine Art Lokalheldin.
Sie wäre perfekt für seine Kunst …
Ein Stöhnen hallte durch die Höhlen und holte ihn in die Gegenwart zurück. Er musste sich an die Arbeit machen, es gab viel zu tun! Er konnte es sich kaum leisten, über seine nächsten Schritte nachzugrübeln.
Eins nach dem anderen.
Er ging zum Radio hinüber und stellte es an.
Musik tönte aus den Lautsprechern.
Als er die Klänge von »Silver Bells« erkannte, atmete er tief durch.
»Ring-a-ling … hear them sing … «
Gefangen genommen von der Melodie, spürte er, wie sein Ärger verflog. Er durfte sich nicht von den Dummköpfen aus dem Büro des Sheriffs oder den Presseschwachköpfen von seinem Vorhaben abhalten lassen.
Er hatte noch viel Arbeit vor sich.
Eine Arbeit, die Detective Selena Alvarez sicher zu schätzen wüsste!
Kapitel dreizehn
Am nächsten Morgen fuhr Alvarez mit ihrem Subaru über die Schienen der Eisenbahn, die am Boxer Bluff entlangliefen, und schlängelte sich die kurvige Straße hügelaufwärts Richtung Neustadt.
Es ging auf acht Uhr morgens zu, der Verkehr war dicht, und es schneite wieder heftig. Ihr Geländewagen bewältigte den steilen Anstieg mühelos, doch der Pick-up vor ihr geriet leicht ins Schlingern, deshalb ging sie etwas mehr auf Abstand, auch wenn sie es eilig hatte, zur Arbeit zu kommen.
Alvarez war mit Kopfschmerzen aufgewacht, die auch nicht viel besser geworden waren, nachdem sie eine kurze Runde gedreht und eine Tasse Tee getrunken hatte. Sie hatte schlecht geschlafen, hatte sich fast die ganze Nacht unruhig hin und her gewälzt, dann war sie wach geworden, weil sie den Hund vermisste und nicht wusste, was sie von ihrem Wiedersehen mit
Weitere Kostenlose Bücher