Montana 04 - Vipernbrut
Missoula überprüft«, fügte sie hinzu. »Es sind vierundzwanzig.«
»Im Ernst?«
»Auf den ersten Blick sind vier von ihnen aktenkundig, einer wegen Trunkenheit am Steuer, ein anderer wegen Urkundenfälschung, und zwei waren gewalttätig. In einem Fall häusliche Gewalt, tätlicher Übergriff im anderen. Bin noch dabei, die Jungs zu überprüfen.«
»Brauchst du Unterstützung?«
»Noch nicht. Oh«, sie schnippte mit ihren behandschuhten Fingern, »Ezzie Zwolski hat übrigens angerufen.« Sie blieben vor Alvarez’ Outback stehen. »Scheint so, als wolle sie vorbeikommen und mit mir über den Tod ihres Freundes reden.«
»Ich dachte, sie wolle nicht aussagen.« Ezzie Zwolski hatte sich partout nicht zu Len Bradshaws Tod äußern wollen, doch Pescoli hatte sie unter Druck gesetzt, da sie hoffte, als Bradshaws Geliebte und Martin Zwolskis Ehefrau würde Ezzie mehr wissen, als sie zugab.
»Sie wird in Begleitung eines Rechtsanwalts kommen«, sagte Pescoli.
»Oh, oh.«
»Morgen, um elf. Dachte, du würdest dabei sein wollen.«
»Morgen ist Samstag.«
»Da soll mal einer schlau draus werden. Heute konnte oder wollte sie nicht kommen, und ich wollte nicht bis Montag warten, damit sie ihre Meinung bis dahin nicht wieder ändert. Also hat sie ihren Anwalt dazu gebracht, am Samstag ein paar Stunden mit mir zu verbringen.«
»Tja, ich würde gerne dabei sein, aber Ezzie war doch gar nicht dabei, als Bradshaw umgebracht wurde.« Das war eine unbestrittene Tatsache. Sie befand sich an ihrem Arbeitsplatz, ihr Chef im Lebensmittelladen hatte das bestätigt, genau wie das Überwachungsvideo.
»Ich weiß, aber Ezzie ist nun mal mit beiden Männern intim gewesen. Außerdem hat sie die Buchhaltung für die Firma gemacht, aus der Len das Bargeld hat mitgehen lassen. Ich denke, sie könnte uns vielleicht ein Motiv liefern und Auskunft darüber geben, wie nahe sich die beiden Partner standen, wie nachtragend ihr Ex ist … Könnte nicht schaden.«
»Vermutlich nicht. Es könnte aber auch ganz einfach so gewesen sein, wie Martin behauptet: ein Unfall.«
»Genau das werden wir morgen, wenn alles gut läuft, herausfinden.« Sie wollte gerade zu ihrem Jeep hinübergehen, als sie zögerte. »Du weißt schon, dass ich immer noch warte, oder?«
»Worauf? Dass Ezzie auspackt?«
»Nicht Ezzie. Du. Ich dachte, du würdest mir vielleicht erzählen, was wirklich los ist mit dir, O’Keefe und diesem Ausreißer, dem schwer bewaffneten Räuber.« Letzteres sagte sie mit einem Augenzwinkern, schließlich war Gabriel Reeve noch ein Junge.
»Ja, ich weiß.« Alvarez blickte die Straße hinauf in Richtung des gemütlichen Coffeeshops, den Pescoli so oft besuchte. Zu gefährlich. Zu viele Leute, die sie kannte, verkehrten dort. Sie brauchte definitiv mehr Privatsphäre, wenn sie sich ihrer Partnerin anvertrauen wollte. »Wie wär’s, wenn ich dich auf einen Drink einlade?«
»Auf einen Drink mit einem Schuss Wahrheit?«
»Oh. Sicher.« Alvarez öffnete die Fahrertür ihres Subarus und fügte hinzu: »Heute Abend gibt’s übrigens zwei zum Preis von einem!«
Kapitel fünfzehn
Dann könnte der Junge, der wegen bewaffneten Raubüberfalls gesucht wird, also dein Sohn sein?«, fasste Pescoli zusammen, die versuchte, sich ihre Verblüffung nicht allzu sehr anmerken zu lassen, während sie ihre Partnerin über den schmuddeligen Tisch in einer abgeschiedenen Nische der Elbow Tavern hinweg mit großen Augen anstarrte. Alvarez hatte diese Kaschemme am Stadtrand ausgesucht. Hier war das Licht schummrig, abgesehen von der flackernden Neonreklame für Bier, dessen Geruch auf dringlich in der Luft hing. Die Gäste spielten Poolbillard oder schauten Sport auf dem Fernseher über der Bar, der alte Betonboden war voller leerer Erdnussschalen.
Pescoli hatte in ihrem Leben als Detective schon viele schockierende Dinge erfahren, die mordenden Psychopathen, die die Gegend um Grizzly Falls heimgesucht hatten, waren grausam gewesen und pervers. Angesichts dessen klang Alvarez’ Geständnis harmlos, und dennoch stellte Pescoli verwirrt fest, wie sehr es sie aus der Fassung brachte. Alvarez - eine Mutter, die ihren Sohn zur Adoption freigegeben hatte! Sie hatte gedacht, sie würde ihre Partnerin kennen, niemals hätte sie damit gerechnet, dass diese regelkonforme Polizistin mit einem Universitätsabschluss in Psychologie und einer disziplinierten Lebensweise, die jeden Fitnesstrainer vor Neid hätte erblassen lassen, ein dunkles Geheimnis hütete, ein
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