Montana 04 - Vipernbrut
nächsten Schneeschmelze im Frühjahr entdeckt werden.
»Er muss die Stadt verlassen haben«, sagte Alvarez, während sie Wasser über ihre beiden Teller laufen ließ und sie anschließend in den Geschirrspüler stellte.
»Schon möglich«, erwiderte O’Keefe, »doch er ist absolut zielstrebig zu deinem Reihenhaus gelaufen.«
»Dann stehen wir jetzt wieder ganz am Anfang?« Sie schloss den Geschirrspüler mit dem Fuß und wischte sich die Hände an einem Trockentuch ab. Im selben Augenblick sprang Mrs. Smith von einem der Barhocker auf den Küchentresen. »He, runter mit dir!«, rief Alvarez tadelnd, doch die Katze setzte sich bequem zurecht, legte ihren schwarzen Schwanz über ihre weißen Pfötchen und fing an, sich das Gesicht zu putzen. »Also wirklich! Runter da!« Sie hob Mrs. Smith vom Tresen und setzte sie auf den Fußboden. Diese warf ihr einen verstimmten Blick über die Schulter zu und tappte hinüber ins Wohnzimmer.
»Ich hätte dich nie für eine Katzenliebhaberin gehalten.«
»Oder für eine Hundeliebhaberin?«
»Genauso wenig«, gab er zu. »Du bist einfach nicht der Typ dafür.«
»Und warum nicht?« Sie wischte ein paar Krümel von der Anrichte, beäugte die Stelle kritisch und wischte noch einmal hinterher.
»Tiere machen Unordnung, Schmutz. Du weißt schon: Katzenklos, Nasen-und Pfotenabdrücke an Fensterscheiben, zerfetzte Kissen.«
»Ja, ja, ich weiß, du hast recht. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal ein Tier brauchen … nein, mir wünschen würde, dass eins bei mir lebt. Aber … « Sie wandte sich zu ihm um und sah ihn an, dann faltete sie das Trockentuch ordentlich zusammen und hängte es über den Griff am Ofen. » … die Menschen ändern sich.«
»Tatsächlich?« Er wirkte nicht überzeugt, doch er ließ es dabei bewenden. Verdammt, sah sie gut aus! Vor ein paar Stunden, als sie vor dem Laptop saß und die Unterlagen durchging, die sie über Gabriel Reeve hatte finden können, hatte sie das Gummiband aus ihrem schwarzen Haar genommen, so dass es ihr lose über den Rücken fiel. Im Licht der Lampe schimmerte es bläulich, und als sie es über die Schulter warf, damit es sie nicht bei der Arbeit behinderte, gab sie unbewusst den Blick auf ihren langen, schlanken Hals frei.
Nach einer Weile hatte sie sich zurückgelehnt, die Arme hinter den Kopf gehoben und ihr Haar wieder zusammengefasst, sie war so gefesselt von dem, was sie auf dem Bildschirm sah, dass sie nicht merkte, wie sich ihr Pullover dabei über ihren Brüsten spannte.
Der Anblick erinnerte ihn daran, wie sie nackt in seinem Bett gelegen hatte, an ihre kupferfarbene Haut und ihre perfekt geformten vollen Brüste mit den großen, dunklen Spitzen auf dem weißen Laken. Rasch schaute er zur Seite und sagte: »Ich werde mich mal lieber auf den Weg machen. Bitte ruf mich an, sollte sich etwas Neues ergeben.«
»Das Gleiche gilt für dich.«
Ihre Blicke trafen sich, dann brachte sie ihn zur Tür. Wie gern hätte er ihr jetzt einen Gutenachtkuss gegeben!
Dummkopf
Daran solltest du gar nicht erst denken. Selena Alvarez ist die letzte Frau, die von dir einen Gutenachtkuss haben will - die allerletzte!
Er nahm seine Jacke und trat aus der Haustür. Es hatte noch nicht wieder angefangen zu schneien, doch die Nacht war bitterkalt, Wolken verdeckten Mond und Sterne. Als er in seinem Ford saß, ließ er den Motor an und blies sich wärmend auf die Hände.
Es würde eine Weile dauern, bis die Heizung anspringen würde, also zog er widerwillig ein Paar Handschuhe über. Drüben am Haus ging die Verandabeleuchtung aus. Was hatte sie nur an sich, dass sie ihn derart faszinierte? Von der ersten Minute an hatte er sich von ihr angezogen gefühlt, damals, in San Bernardino. Sie war wie eine Kombination aus Feuer und Eis: In der einen Minute konnte sie eiskalt und berechnend sein, in der anderen voller Leidenschaft und explosiv wie ein Vulkan.Ja, sie war schön, doch in seinem Leben war er vielen schönen Frauen begegnet. Leider hatte ihn keine auch nur ansatzweise so angezogen wie Selena Alvarez.
Er wendete auf der verschneiten Straße, wobei er sorgfältig darauf achtete, keines der am Straßenrand geparkten Fahrzeuge zu touchieren, dann machte er sich auf die Rückfahrt zu seinem Motel. Unterwegs dachte er über den Sohn nach, den sie zur Welt gebracht hatte. Was für ein merkwürdiger Zufall, dass ihn ein flüchtiger Sechzehnjähriger ausgerechnet zu ihr zurückführte, ganz besonders, da er nicht zu der Sorte Mensch
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