Montana Creeds - Das Herz aller Dinge (German Edition)
Sidekick einen Käfer verfolgte, der recht niedrig über das hohe Gras flog. Immer wieder schnappte er nach ihm, verfehlte ihn jedoch jedes Mal.
“Ich habe kein Mitspracherecht, was du mit dem Hauptgebäude anstellst”, entgegnete Tyler schließlich. Er sprach in ruhigem, gleichmäßigem Tonfall, doch seine Verärgerung war deutlich herauszuhören. “Bau deine Scheune, wenn du willst. Du hast noch nie mein Okay benötigt, warum jetzt?”
“Ich will Vieh kaufen”, antwortete Logan. “Wenn ich verhindern will, dass die Rinder sich aus dem Staub machen, muss ich die Weide einzäunen, und ein Teil von diesem Land gehört dir.”
“Und wenn ich nicht will, dass du deine Rinder auf meinem Land grasen lässt?”
Du kleiner Drecksack
, dachte Logan mit einer Mischung aus Verärgerung und Belustigung. “Dann bewegst du am besten deinen Arsch her und versuchst, mich davon abzuhalten”, konterte er. “Und wenn du Dylan schon sagst, dass er ein ‘hasenfüßiger Hurensohn’ ist, kannst du ihm das von mir auch gleich ausrichten.”
Tyler fluchte, aber er legte noch immer nicht auf.
Logan überlegte, ob das ein gutes Zeichen sein mochte oder ob sein jüngster Bruder einfach nur auf einen Streit aus war, selbst wenn der nur übers Telefon ablief. Vielleicht waren die Leute, mit denen er inzwischen Umgang hatte, einfach so nett, dass er sich mit ihnen nicht anlegen konnte.
Nein, das war nicht sehr wahrscheinlich.
“Keine Zäune, Logan”, sagte Tyler. “Zumindest nicht auf meinem Land.”
“Zu spät”, ging Logan darüber hinweg. “Die Materialien wurden bereits geliefert, und die Crew ist auch angeheuert. Morgen in aller Frühe nehmen die Leute ihre Arbeit auf.”
“Keine Zäune. Hast du mich gehört, Logan? Wenn du einen Zaun errichtest, werde ich dich dazu zwingen, den wieder zu entfernen.”
“Große Worte für einen kleinen Bruder”, meinte Logan und wusste ganz genau, er hätte genauso gut ein brennendes Streichholz in einen Benzintank werfen können. “Ich bin Anwalt, schon vergessen? Bis du dich durch den ganzen Papierkram durchgekämpft hast, besitze ich bereits die größte Viehherde in ganz Montana.”
“Verdammt noch mal, Logan …”
Er streckte sich genüsslich und gab einen entsprechenden Laut von sich. “War nett, mal wieder mit dir zu reden, Ty. Und grüß Dylan von mir.”
“
Logan …”
Logan gähnte. “Ich bin jetzt Rancher, und Rancher müssen früh aufstehen, wie du vielleicht weißt. Ich schätze, ich werde mich jetzt schlafen legen.”
“Leg jetzt bloß nicht au…”
Dann unterbrach er die Verbindung.
Fast augenblicklich begann sein Telefon erneut zu klingeln. Logan sah aufs Display. Tyler. Er ignorierte das Klingeln und pfiff Sidekick zu sich, dann gingen die beiden nach drinnen.
Das alte Haus schien von allen Seiten Echos zu werfen. Es gab hier keine Möbel, keine Bilder und keinen Schnickschnack, der sich für gewöhnlich über Generationen hinweg ansammelte. Logans Schritte klangen auf dem Holzboden einsam und verloren.
Das Klingeln verstummte, dann setzte es wieder ein.
Abermals warf Logan einen Blick auf das kleine Display.
Sidekick drehte den Kopf zur Seite und spitzte die Ohren. Er mochte lange Zeit auf sich allein gestellt gewesen sein – wie Logan erwartet hatte, konnte der Tierarzt keinen Mikrochip finden –, aber der Hund wusste, wenn ein Telefon klingelte, dann sollte auch jemand rangehen. Es bereitete Logan tatsächlich Schuldgefühle, dass er den Hund in Verwirrung gestürzt hatte, also schaltete er das Telefon ab und legte es auf den Kaminsims.
“Schon gut”, sagte er zu Sidekick und legte den Schalter neben der Tür um, die zum Esszimmer führte. Der fahle Lichtschein ließ das Haus nur noch verfallener aussehen.
Ihm fiel das Album ein, das Alec und Josh ihm nach dem Abendessen bei Briana zu Hause gezeigt hatten. Plötzlich überkam ihn ein Gefühl von Einsamkeit.
Seine Mutter und beide Stiefmütter waren ganz vernarrt gewesen, zu fotografieren. Es existierten Hunderte Fotos, die seine Kindheit und die von Dylan und Tyler dokumentierten.
Wo waren diese Sachen nur?
Ein Jahr nach Jakes Tod hatte er die meisten Möbel einlagern lassen. Waren die Fotoalben und die Truhe mit den Papieren etwa auch ins Lager geraten?
Er konnte sich nicht daran erinnern, aber er war sich nicht sicher, ob er es überhaupt jemals gewusst hatte.
Der Schlüssel zum Lagerraum in der Stadt war in seinem Besitz, doch ihm stand nicht der Sinn danach, hinzufahren
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