Montedidio: Roman (German Edition)
ständig heiser.
Mehr als alles andere verändern sich die Hände, jetzt können sie etwas festhalten, sie sind breiter geworden, um den Bumerang zu packen. Das Holz verliert an Gewicht, gibt es an die Arme weiter, die Fäuste, die Finger. Ich habe kein Ziel, ich muss nichts treffen, ich habe den freien Raum, den lauwarmen Himmel mit dem Geruch nach Seifenspänen. An einem Abend im Herbst, wenn es kühler wird und die Häuser ihre Fenster schließen, werde ich den Wurf machen, ich werde keinen einzigen Zentimeter des Fluges sehen, doch jeden Abend bereite ich ihn vor, pro Arm jeweils hundert Mal.
M IT DER D UNKELHEIT steigt Maria zur Waschküche herauf, sie berührt mich nicht, sie ruft mir nicht mein Dings aus der Haut hervor. Sie hat dem Hausbesitzer gesagt, dass Schluss ist, der hat übel darauf reagiert, er hat gedroht, sie aus der Wohnung zu werfen, Marias Eltern schulden ihm mehrere Monatsmieten. Maria hat vor seinen Füßen ausgespuckt und ist weggegangen. Sie zeigt ihren ganzen Mut, sie ist bereits durch und durch Frau und weiß schon, was Abscheu ist. Schluss mit dem Theater, sagt sie, sie will nicht mehr, dass er sie Prinzessin nennt, sie die Kleider seiner verstorbenen Frau anziehen lässt, ihr kostbare Dinge umhängt und sie dann anfasst und sich anfassen lässt, jetzt will sie nicht mehr, weil ich da bin. Ich bin da: Mit einem Schlag werde ich wichtig. Bisher hat es überhaupt keinen Unterschied gemacht, ob es mich gab oder nicht. Maria sagt, dass ich da bin, und erst da merke auch ich, dass ich da bin. Insgeheim frage ich mich: Konnte ich denn nicht selber merken, dass es mich gibt? Anscheinend nein. Anscheinend braucht man einen anderen Menschen, der einen darauf aufmerksam macht.
W IR SITZEN UNTER DER B RÜSTUNG der Dachterrasse auf dem Boden, und Maria lässt mich die Hände auf ihren Busen legen. Ich sitze etwas schief, unbequem, doch ich lasse sie dort. In den schwarzen Pony über ihrer Stirn fährt ein leichter, frischer Wind von Westen, er trocknet ihr das Gesicht, schweigend sehen wir uns ganze Minuten lang an. Ich wusste nicht, dass es so schön ist, sich anzusehen, sich gegenseitig von Nahem anzuschauen. Ich kneife das gute Auge zusammen, mit dem anderen sehe ich weniger klar, doch die Nase erwacht und nimmt Marias Geruch nach Schweiß auf und den bitteren Holzgeruch des Bumerangs, den ich auf den Knien halte. Auch sie kneift ein Auge zu, dann abwechselnd das eine und das andere, und wir sehen uns ununterbrochen an, und dann lacht sie los, weil es komisch aussieht, wenn man immer anderes Licht in den Augen hat. Heute Abend hat sie gesagt: »Du bedeutest mir was.« Mir ist sie auch wichtig, aber ich kann es nicht so gut ausdrücken, und ich kann auch nicht antworten: Du mir auch. Also sage ich gar nichts.
D ER H AUSBESITZER HAT BEI M ARIA an die Tür geklopft, sie hat aufgemacht, und er hat sie angefleht, angefleht, er würde sogar auf die Knie fallen, wenn sie nur zu ihm käme. Maria hat mit nach hinten geworfenem Kopf »ntz« gemacht, ein ausgespucktes Nein. Von der Küche aus hat ihre Mutter gefragt, wer da sei, da hat der Hausbesitzer getobt, dass er den Gerichtsvollzieher schicken wird, damit der die Möbel pfändet, und die Mutter hat ihn angefleht, es nicht zu tun, und sie wollte auch schon auf die Knie fallen, und nur Maria wollte nicht fallen, sie wusste, dass diese beiderseitigen Kniefälle der beiden ganz und gar nutzlos waren, denn sie wird sowieso nicht mehr zu dem Alten gehen. Ich frage sie, ob ihre Mama denn nichts von den Besuchen weiß, sie antwortet nicht, öffnet die Hände und gibt mir einen Kuss unter die Nase: »Du bist mein Verlobter, meine Familie, wenn sie uns kündigen, laufe ich weg und komme zu dir.« Wenn man verlobt ist, kommen einem ganz schön dreiste Gedanken.
E S HÄNGT NOCH W ÄSCHE auf der Leine, es könnte eine Frau heraufkommen, um sie abzunehmen. »Das ist meine«, sagt Maria, »ich hab sie hergebracht, damit ich einen Vorwand zum Rausgehen habe. Ich hab angefangen zu waschen und zu bügeln, so kann Mama das Geld für die Miete auftreiben.« Wie kommt es, dass deine Familie die Miete nicht bezahlen kann, wo es ihr doch besser geht als meiner, frage ich. Sie brocken sich das selbst ein mit ihrer Spielsucht, dem Lotto, dem Fußballtoto, Pferdewetten, sie haben Schulden, sagt sie. »Aber ich geh nicht mehr zum Hausbesitzer, um ihm das fehlende Geld zu bringen, damit er es dann zählt und sagt, dass es zu wenig ist. Soll sie es ihm doch selbst
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