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Montedidio: Roman (German Edition)

Montedidio: Roman (German Edition)

Titel: Montedidio: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erri De Luca
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mir herausgekommen ist. Dann schaut Maria nicht mehr auf ihre Hand, sie blickt mich an, wie ich sie anschaue, und ganz langsam kommt ihr ein Lächeln, und als ich es sehe, spüre ich Stöße im Innersten meiner Eingeweide, ein Husten im Fleisch, ein Wurf des Bumerangs, der mir aus der Hand geschlüpft ist und mich leert.
    I CH SUCHE IHN, und er liegt dort in der Nähe auf dem Boden. Maria hört auf, nimmt ein Taschentuch, trocknet sich die Hand ab, wovon, weiß ich nicht, vielleicht vom Schweiß, wie ich es nach dem Training mache. Auch mein rechtes Auge, das ein bisschen kurzsichtige, ist ganz nass geworden von der Anstrengung, offen zu bleiben. Dann blicke ich nach unten und sehe ein Stück Fleisch an mir, das ich noch nie zuvor gesehen habe, ein langes, dünnes Stück, ein wenig krumm, an der Stelle des Dings, und wenn Maria nicht da wäre mit ihrer Seelenruhe, würde ich aufschreien, so sehr beeindruckt mich das. Doch sie ist da und drückt mir einen Kuss auf die Lippe unter der Nase. Ich bin ganz brav mit ihr, sage nichts, frage nicht, was das eben gewesen ist. Über uns machen die Wäscheleinen Streifen in den Augusthimmel. Es gefällt mir, dass über uns keine Laken und auch keine Balkone sind, dass wir uns auf der höchsten Terrasse von Montedidio befinden.
    » I CH MACHE DAS AUCH dem Hausbesitzer«, sagt sie. Was das? Es stört mich, dass sie ihn überhaupt erwähnt, den Hausbesitzer, den widerlichsten Menschen, den ich kenne. Er fragt die Mieter: »Wann zahlt ihr mir?«, und er fragt sie immer dann, wenn drum herum Leute sind, die es hören können. »Wann zahlt ihr mir?«, sagt er ganz laut, um sie zu blamieren.
    »Was ich bei dir gemacht habe, mache ich bei ihm«, sagt Maria. Ich sage lieber nichts, um keinen Blödsinn zu reden. »Heute Abend wollte ich einen sauberen Körper berühren, ein Gesicht sehen, das mich anschaut, das mich achtet. Du bist jetzt mein Verlobter, und ich lasse mich nicht mehr vom Hausbesitzer anfassen. Ich mache nichts mehr bei ihm, nicht mal, wenn er uns aus dem Haus jagt.« Hat er das gesagt, dass er dich wegjagt? »Nein, das sagt Mama, weil wir Schulden haben, die Leute kommen zu uns nach Haus und fordern ihr Geld.« Ich bin still, obwohl ich nicht alles verstehe, ich sehe, dass Maria gerne mit mir bei der Waschküche ist, auch der Bumerang gefällt ihr, sie macht eine halbe Wurfbewegung damit, spürt einen Stromschlag, schreit fröhlich und voller Erstaunen, wie ich es bloß schaffe, damit zu spielen, wo er so schwer ist. Aber er ist doch zum Fliegen gemacht, sage ich, er kann gar nicht schwer sein. »Lässt du ihn fliegen?« Ja, sage ich zu ihr, wann, fragt sie, ich weiß es noch nicht. »Darf ich dabei sein, wenn es passiert?«, ich antworte nicht, der Bumerang ist kein Spiel, er ist ein großes Geheimnis. Er wird fliegen, sich vom Arm lösen, mit einem Abschiedsgruß aller Muskeln, die er hat wachsen lassen, und er wird Lärm machen und die Leute erschrecken, vielleicht wird er jemanden treffen, man wird den Schuldigen suchen, wem gehört der Bumerang? Und sie werden hierherkommen, auf die höchste Stelle von Montedidio, und ich werde antworten, dass ich es gewesen bin, ich bin der Bumerangwerfer. Das sind stumme Gedanken, Maria kann sie nicht kennen. Sie nimmt meinen Kopf in ihre Hände, legt ihn sich auf die Brust, unter der Schwellung ihres Fleisches spüre ich den Atem und dann das harte Klopfen des Herzens, das sich anhört, als ob einer klopft, und fast möchte ich antworten: Herein.
    M ARIA MACHT TIEFE A TEMZÜGE , mein Kopf hebt und senkt sich auf ihrer Brust. Sie sagt, dass es jetzt gut ist, dass sie diese Sache, diese Lust für die Männer, nun für mich macht, so ist es schön, nicht der ekelhafte alte Körper des Hausbesitzers, seine Bewegungen auf ihr. Marias Körper durchläuft ein Schaudern, ein Rütteln, wie wenn man ein Tischtuch ausschüttelt. Sie öffnet die Augen, ich sehe ihr Gesicht, das traurig geworden ist. Da nehme ich den Bumerang und halte ihn mit den Spitzen seiner Flügel nach unten, und auch die beiden Winkel meines Mundes drücke ich mit zwei Fingern nach unten, so mache ich sie nach. Dann drehe ich den Bumerang herum, die Spitzen zeigen nach oben, sodass er ein Mund wird, der lacht, mit meinem Mund mache ich das Gleiche, und Maria folgt uns, dem Bumerang und mir, ihr Mund wird breit, und das Gesicht geht auf, sie umarmt meinen Kopf. Als sie ihn wieder aus ihren Armen loslässt, geht sie fort.
    R AFANIELLO REIBT SICH DEN B UCKEL an der Mauer,

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