Montedidio: Roman (German Edition)
Schuster um, Don Rafaniello, ’o scartellato , der Bucklige mit diesem Höcker auf dem Rücken, der so groß ist wie er selbst. Ihr tut gut daran zusammenzuhalten. Aber ihr müsst es richtig machen, übereilt nichts, ihr könnt nicht heiraten, in einer Wohnung zusammenleben. Fangt damit an, dass ihr jetzt verlobt seid, sprecht offen über eure Absichten, sonst erregt ihr Anstoß, und eure Eltern müssen einschreiten. Auch wenn sie sich im Moment nicht mal daran erinnern, dass es euch gibt, werden sie sich gegen euch stellen, wenn ihr erst in aller Munde seid. Das sage ich euch, weil ich euch gern habe und weil ihr das Rechte tut. Marì, ich bin froh, dass du nicht mehr in diese Wohnung hinuntergehst.« Don Ciccio sagt diese letzten Worte mit leicht erstickter Stimme und wird ganz rot im Gesicht.
I M F RÜHLING WAR ICH NOCH ein Kind, und jetzt stecke ich mitten in ernsten Dingen, die ich nicht mal verstehe. Don Ciccio hat recht, bei uns muss man sich beeilen mit dem Erwachsenwerden, und ich gehorche, beeile mich. Rafaniello, Maria, der Bumerang, ich renne hinter ihnen her, unterdessen geht die beschriebene Papierrolle zu Ende, und ich werde nicht zu Don Liborio gehen, eine neue zu holen, wenn er eine übrig hat. Maria, die Don Ciccio gegenübersitzt, sagt nichts, im Topf kocht die Soße auf kleiner Flamme. Sie ergreift unter dem Tisch meine Hand und legt sie zusammen mit der ihren auf das Tischtuch, ich sehe sie an, aber sie blickt zu Don Ciccio hin. »Das sagt Ihr mir erst jetzt, Don Ciccio, m’o ddicite mò ?« Maria springt vom Italienischen ins Neapolitanische, das mit der Gewalt einer Ohrfeige aus ihr herauskommt, je kürzer das Neapolitanische ist, desto mehr wird es schneidend wie eine Rasierklinge, Don Ciccio schluckt schweigend. Maria kehrt in die Hülle des Italienischen zurück, sagt: »Mögt Ihr uns beehren, Don Ciccio? Ein Teller Spaghetti«, Don Ciccio steht auf, dankt, er muss in die Hausmeisterloge zurück: »Handelt vernünftig, ich habe wie ein Vater zu euch gesprochen, da es hier keinen mehr gibt.« Maria wendet sich zum Herd um, ich begleite Don Ciccio zur Tür, drücke ihm die Hand und danke ihm für seine Anteilnahme. »Sei vernünftig, mein Junge«, sagt er und rückt sich die Baskenmütze zurecht, während er die Treppe hinuntersteigt.
I N DER K ÜCHE SAGT M ARIA , dass niemand sich in unser Leben einmischen darf. Ich erwähne die zerschlagenen Teller. »Offenbar hat er zu viele davon.« Maria, der ist verrückt geworden. »Nein, er ist nur zu früh dran, den alten Kram zerschmeißt man am letzten Tag im Jahr, er wirft das Zeug eben früher weg, er ist ja der Hausherr, oder nicht? Der Herr über das ganze Haus: Was kosten ihn ein paar Teller?« Sie gießt die Soße über die abgetropften Nudeln, wir essen aneinandergeschmiegt, unsere Beine berühren sich, ich begreife, dass sie recht hat, niemand darf sich in unser Leben einmischen.
I N DER W ERKSTATT MACHT Don Rafaniello das letzte Paar Schuhe fertig, er sitzt nicht still vor seinem Bänkchen, er hebt den Kopf, dreht ihn nach allen Richtungen herum, wachsame Blicke, er ist noch etwas mehr ein Vogel geworden, einer, der hinter den anderen zurückgeblieben ist, sich verspätet hat auf dem Flug nach Süden. Er wird nicht mehr in die Werkstatt kommen, in der Nacht des Einunddreißigsten werden wir uns oben auf der Dachterrasse treffen, das haben wir abgemacht. Er fragt mich, wie es um den Bumerang steht, er ist immer bei mir, Don Rafaniè, ich halte ihn bereit fürs Fliegen. Mit einem Rucken dreht sein Hals sich zur Tür, ich blicke mich um, Meister Errico kommt herein. » ’A ricciola guagliò, stamattina aggio piscato ’na ricciola davanti Santa Lucia , eine Bernsteinmakrele, mein Junge, heute Morgen hab ich vor Santa Lucia eine Bernsteinmakrele geangelt. War noch dunkel, ich zieh die Angelleine locker hinterher, und da hat sie mich gefangen, ja, sie mich, ein Zerren, das mir fast die Hand zerschnitten hätte«, und er zeigt das blutrote Mal. »Ich hab losgelassen, dass ich den Haken nicht verlier, denn der ist winzig, dann hab ich sie sich austoben lassen, sie ist müde geworden, und derweil zieh ich sie langsam näher heran, und als sie dann unterm Bootsrand war, hab ich sie mit der Harpune hochgehoben, drei Kilo, drei Kilo, mein Junge, das erste Licht des Tages leuchtete auf dem Meer, ’a ricciola era cchiù lucente ’ell’alba , die Bernsteinmakrele leuchtete heller als der Morgen. Magno pesce pe’ na semmana , jetzt ess ich Fisch
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