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Montedidio: Roman (German Edition)

Montedidio: Roman (German Edition)

Titel: Montedidio: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erri De Luca
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die ganze Woche lang, die Brassen lass ich in Frieden bis zum nächsten Jahr. Heut morgen koch ich mir den Kopf, ’na capa tanta , so groß ist der«, und er zeigt mit den Händen das Maß, zwischen beiden Handflächen lässt er Raum genug für einen Fußball.
    I CH MACHE IHM K OMPLIMENTE , Ihr seid etwas ganz Besonderes, Meister Errico, ein angelnder Kunsttischler. Es gefällt ihm, dass ich ihn Kunsttischler nenne, aber er will es nicht annehmen: » So’ sulo ’nu falegname che va a pisca’, nun ce sta niente ’e speciale . Bin nur ein Schreiner, der angeln geht, da ist nichts Besonderes dran. Willst du was Besonderes hören? Papele ’o marenaro , Papele, der Seemann, der mit seinem Korb voller Fische herumläuft, die er jeden Morgen frisch fängt: der ist eines schönen Tages während des Krieges aufs Meer hinaus und ist mit Hühnern zurückgekommen. Du hast richtig gehört, er angelte pullaste , Hühnchen. Er kam zu seinen Kunden mit dem Korb voller Hühner. › Papè , habt Ihr umgesattelt?‹, haben ihn die Kunden gefragt. › No’ signurì, io esco sempre pe’ mmare tutt’e iuorne , nein, nein, Herrschaften, ich fahr weiter jeden Tag aufs Meer.‹ Tatsächlich war es so, dass die Amerikaner angekommen waren nach unsren Tagen der Schlachten und hatten ein Fischereiverbot angeordnet, denn der Golf war wegen der deutschen Minen gefährlich. Papele fuhr trotzdem hinaus mit seinem Boot, er fuhr vor den amerikanischen Schiffen her, und die warfen ihm die Hühner ins Meer, die tiefgefroren waren. Accussì Papele se mettete a fa’ ’o pescatore ’e pullaste , so ist der Papele ein Hühnerfischer worden.«
    M EISTER E RRICO IST FRÖHLICH , erst jetzt begrüßt er Rafaniello, sagt, dass er ihm eine Scheibe Bernsteinmakrele zum Probieren schicken wird, schaut nach, wie weit der Schrank getrocknet ist, er ist in Ordnung, wir können die Eisenbeschläge anschrauben, die Griffe, Schlösser, Scharniere. Mit der Fräsmaschine bohrt er die Aushöhlungen für die Schlüssellöcher, ich schiebe das Stück an die Maschine heran, das gute Auge passt auf, das trübe halte ich halb geschlossen, damit es ausruht. Wir werden den Schrank nach Neujahr liefern. Während wir arbeiten, frage ich ihn nach Don Ciccio, ob das auch ein braver Kerl ist. »Anständig, mutig, während des Krieges war er noch ein Junge und half heimlich denen vom Widerstand. Er machte Botengänge für sie während der Bombardierungen, wenn niemand auf der Straße war, in den Luftschutzkeller hab ich ihn nie hinuntergehen sehen.« Ich frage ihn auch, ob er sich an eine Schwester von Don Ciccio erinnert. »Was weißt denn du Rotznase von der Schwester von Don Ciccio?« Wenig, Meister Errico, ich weiß das, was er mir erzählt hat, dass sie bedienen ging. »Sie ging bedienen beim Hausbesitzer, der verheiratet war und die Frauen begrapschte. Das war ’na piccerella , Rotznase, ein süßes kleines Mädchen.« Er zündet sich eine halbe Zigarre an, und das bedeutet, dass das Gespräch beendet ist.
    A M E NDE DES T AGES schließe ich die Werkstatt, begleite Rafaniello nach Haus, ich stütze ihn am Arm, er geht mühsam. Don Rafaniè, in wenigen Monaten haben wir uns mächtig beeilt, Ihr mit dem Buckel, ich mit der Arbeit, der Körper ist erwachsen geworden, die Stimme dunkel. Wo laufen wir beide hin, frage ich, und er antwortet mit seiner ruhigen, leisen Stimme: »Bei uns gibt es einen Witz, er handelt von einem Reiter, der nicht gut reiten kann und der im Galopp über ein Feld prescht. Ein Bauer fragt ihn, wo es hin geht, und er ruft ihm im vollen Lauf zu: ›Fragt das Pferd!‹« Ich muss lachen, ich habe nichts verstanden, aber ich lache. Rafaniello ist leicht, sodass man ihn hochheben könnte, seine Knochen sind wohl leer geworden, unter der Jacke ist Luft, ich sehe die gebogene Linie der zusammengefalteten Flügel, fahre mit der Hand darüber, damit sie besser bedeckt sind. In Neapel nennen die Leute einen Buckel scartiello , Höcker, und glauben, dass es Glück bringt, ihn zu berühren. Wie oft haben die Leute die Hand darauf gelegt, ohne um Erlaubnis zu fragen! Er lässt sie gewähren: »In meiner Heimat nannten sie mich gorbùn , und niemand hat mich angerührt, es gefällt mir, wie vertraut die Leute hier mit meinem Buckel umgehen. Ich glaube nicht, dass ich jemandem Glück gebracht habe, all diese Berührungen haben mir mehr genützt als ihnen, sie haben meine Flügel aufgeweckt.«
    D ON R AFANIÈ, ICH KÖNNTE ein paar Berührungen an der Kehle

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