Montedidio: Roman (German Edition)
es nicht aus. »Jetzt hab ich mich für all die Male getröstet, wo mir das widerlich war«, sagt Maria mit einer dünnen Stimme, ohne die Großspurigkeit, die ihr sonst schwer in der Kehle wiegt und ihre Worte hart macht. Sie hat Appetit bekommen, wir stehen vom Fußboden auf, ziehen uns die Kleider an, sie ordnet ihre Haare, ich mache das Licht nicht an. Die Küche ist ein wenig warm vom Herd, und wir sind noch warm von der Liebe. Wir nehmen uns etwas vom Kapaun mit den Kartoffeln, wir sitzen aneinandergeschmiegt und essen mit den Händen, stoßen uns mit dem Ellenbogen an, schauen uns an und lachen, wie wir beide hier im Dunkeln sitzen und von dem Licht beschienen werden, das von draußen kommt. Die Servietten haben wir uns um den Hals gebunden, wir müssen rülpsen, der Bumerang ist bei uns mit am Tisch. Sie steckt mir die neuen Kartoffeln in den Mund, ich tu so, als ob ich mich verschluckt hätte, den Boden der Bratform wischen wir mit Brotkrumen aus.
» E S IST SCHÖN, nur wir beide allein«, sagt Maria mit vollem Mund. Unsere Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt, ein bisschen Licht von draußen, nicht mehr als Kerzenschein, genügt, wir haben uns eine Decke über die Schultern gelegt und essen die Mandelkekse, sie hat viele gemacht, und viele essen wir, nichts bleibt übrig. »Nächstes Mal backe ich einen Kuchen«, sagt sie. Unterdessen stimmen die zampognari , Dudelsackpfeifer, aus einem Nachbarhaus ein Lied an, eine Familie hat sie rufen lassen, damit sie ein wenig Musik machen, schon wir hören sie sehr deutlich, dort drüben im anderen Haus sind sie bestimmt so laut, dass man sich die Ohren zuhalten muss. Wir haben sogar eine Musikkapelle heute Abend, ich lege den Arm um ihre Schultern, wir ziehen uns die Decke über den Kopf, reiben unsere fettigen Münder aneinander, lecken uns ab wie die Katzen. Später legen wir uns ins Bett, das schmale Bett in meiner Kammer, wir schlafen so ineinander verschlungen ein, dass einer, wenn er aufwacht, auch den anderen wecken muss, um sich zu befreien. Unsere verbündeten Körper verknoten sich.
D ON C ICCIO, DER P ORTIER , hat mit einem Mieter gesprochen, der ihm erzählte, dass der Hausbesitzer in der Nacht verrückt gespielt hat, eine Stunde lang hat er an Marias Haustür geklopft. Die Nachbarn sind aufgewacht und haben mit ihm gestritten. Wir im ersten Stock haben nichts gehört. Obwohl Weihnachten ist, gehe ich trotzdem die Werkstatt aufmachen, die frisch gestrichenen Möbel trocknen besser an der Luft. Rafaniello trifft nach mir ein und setzt sich an sein Bänkchen. Die Flügel füllen seine Jacke aus, sie sind größer als der Buckel, wie konnten sie nur dort drin stecken? Niemand merkt etwas, niemand taxiert ihn mit den Augen, Meister Errico, der mit einem Blick einen einzigen vorstehenden Millimeter in einer scharfen Kante sieht, würde nicht mal darauf achten, wenn Rafaniello eines Tages ohne Buckel ankäme. Wir sind allein in der Werkstatt, es ist ein sonniger Tag, und Meister Errico ist sicher angeln gegangen. Rafaniello fragt mich, wie es dem Bumerang geht, ich ziehe ihn aus meiner Jacke und gebe ihn ihm, er tut so, als würde er daran riechen, und setzt einen Kuss darauf. Ich sehe es, aber ich sage nichts. Das Holz ist noch leichter geworden und Rafaniello auch.
I CH STELLE DIE M ÖBEL INS F REIE , Donna Assunta, die Wäscherin, öffnet ihre Erdgeschosswohnung, ihr basso , und beginnt mit dem Aufhängen der Wäsche, heute Morgen sind nur wenige Leute da, die Sonne scheint, und sie trocknet schnell. Guten Morgen, sage ich zu ihr, sie fragt, warum wir Weihnachten geöffnet haben. Auch die Möbel müssen trocknen, Donna Assù, nicht nur die Wäsche, antworte ich. Sie ist in der Mitternachtsmette gewesen, Don Fretella, der Eilige, hat eine schöne Predigt gehalten, er hat gesagt, dass die Raketen, die ins All geschossen werden, nirgendwo ankommen, sie gehen mitten im Himmel verloren. Der Stern von Bethlehem dagegen ist bis auf die Erde heruntergekommen, um die Geburt des Jesuskinds anzukündigen: »Was können wir mehr verlangen von den Sternen? Er hat gut gesprochen, mein Junge, in Windeseile, wie er’s immer tut, aber wirklich sehr gut, und du musst auch zum Gottesdienst kommen, darfst nicht aufwachsen wie ein Taugenichts. Der andere junge Bursche von Meister Errico ist nie in die Messe gegangen, und jetzt sitzt er im Gefängnis, in Poggioreale, sei du schlauer, Jungchen«, sagt Donna Assunta mit ihren vor Frostbeulen angeschwollenen, rot
Weitere Kostenlose Bücher