Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
positiv. Einige erkannte er, andere wiederum nicht. Als er zu Darlene Morgans Akte kam, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Ihr MASNP-Test war für das BRCA1-Gen positiv!
Für den Bruchteil einer Sekunde starrte Jack auf den Bildschirm. Bis zu diesem Augenblick hatte er Lauries Risiko, selber zum Opfer des Mörders all dieser Patienten zu werden, für ziemlich gering erachtet, da die Statistik für sie sprach. Doch plötzlich hatte sich alles geändert. Wer auch immer diese Morde durchführte, zielte scheinbar auf Menschen mit vererbten schädlichen Genmutationen ab. Und Laurie hatte, ebenso wie Darlene Morgan, ein defektes BRCA1-Gen.
Wie von einer Rakete angetrieben, sprang Jack auf, raste aus dem Büro und den Flur entlang zurück zum Fahrstuhl. Zum Glück öffneten sich sofort die Türen, als er den Knopf drückte. Während er hinunterfuhr, zog er sein Mobiltelefon aus der Manteltasche und blickte auf die Uhr. Vier Uhr sechzehn. Rasch wählte er die Nummer vom Manhattan General, drückte aber noch nicht die Verbindungstaste, weil er im Fahrstuhl kein Netz hatte.
In dem Moment, in dem die Türen zur Seite glitten, stellte er mit seinem Telefon die Verbindung her und hielt es sich ans Ohr, während er wieder an dem überraschten Carl Novak vorbeirannte, nur diesmal in die andere Richtung. Und wieder achtete Jack nicht auf ihn. Die Telefonistin im Krankenhaus meldete sich, als er gerade die Stufen neben der Laderampe hinunterrannte. Nachdem er sich, ohne langsamer zu rennen, als Arzt vorgestellt hatte, bat er außer Atem, mit dem Aufwachraum verbunden zu werden. Er wollte sicherstellen, dass Laurie vor Dr. Rileys Visite nicht verlegt wurde. In rasantem Tempo erreichte Jack die 30 th Street und bog nach Westen ab.
An der Ecke First Avenue blieb er stehen, als im Wachraum das Telefon abgenommen wurde und er die autoritäre Stimme der Stationsschwester erkannte. Es regnete nicht mehr so stark wie noch vor einer Viertelstunde, als er ins Institut zurückgerannt war, doch er wollte trotzdem sein Telefon mit der freien Hand vor der Nässe schützen. Vor ihm rasten vereinzelte Wagen in Richtung Norden.
Keuchend nannte Jack seinen Namen.
»Warten Sie bitte eine Sekunde«, sagte Thea und legte den Hörer zur Seite. Jack hörte, wie sie lautstark Anweisungen gab, in welches Bett ein neuer Patient gelegt werden sollte. »Tut mir Leid«, meldete sie sich wieder zurück, »wir haben hier alle Hände voll zu tun. Was kann ich für Sie tun, Dr. Stapleton?«
»Ich will Ihnen ja nicht auf die Nerven gehen«, begann Jack, während er vergeblich nach einem Taxi Ausschau hielt, »aber ich wollte mich über Laurie Montgomerys Zustand erkundigen.« Endlich entdeckte er ein Taxi, dessen Licht auf dem Dach zeigte, dass es frei war. Jack wollte es gerade heranwinken, als Thea ihn mit ihrer Antwort zu Tode erschreckte.
»Wir haben hier keine Laurie Montgomery.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Jack erschrocken. »Sie hat das Bett an der gegenüberliegenden Wand. Ich war heute Nacht dort. Sie haben mir sogar gesagt, sie sei so charmant.«
»Ach, die Laurie Montgomery. Entschuldigen Sie, in den letzten Stunden war hier mächtig was los. Es gab eine Menge Unfallopfer. Laurie Montgomery wurde aus dem Aufwachraum verlegt. Ihr ging es gut, und wir brauchten das Bett.«
Jack bekam einen trockenen Mund. »Wann war das?«
»Gleich nach der Katastrophenmeldung der OP-Aufsicht. Ich vermute, etwa Viertel nach zwei.«
»Ich habe Ihnen doch meine Mobilnummer dagelassen. Sie sollten mich anrufen, wenn sich an ihrem Zustand was ändert«, tobte Jack.
»Es hat sich aber nichts verändert. Ihr Zustand war völlig stabil. Wir hätten sie nicht fortgelassen, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten gegeben hätte, das können Sie mir glauben!«
»Wohin wurde sie verlegt?«, brachte Jack hervor, bemühte sich aber verzweifelt, sich seine Wut und sein Entsetzen nicht anhören zu lassen. »Auf die Intensivstation?«
»Nein! Sie brauchte nicht auf die Intensivstation. Die war sowieso voll. Und die Frauenabteilung auch. Sie wurde in die Chirurgie in Zimmer 609 verlegt.«
Jack klappte sein Telefon zu und blickte verzweifelt die fast leere, dunkle, nasse Straße entlang. Das Taxi war mittlerweile verschwunden. Er durfte gar nicht daran denken, dass Laurie schon seit zwei Stunden nicht mehr im Aufwachraum lag, während er wegen seiner dämlichen Erkundigungen unterwegs gewesen war. Die fragenden Worte »Was habe ich mir bloß dabei gedacht?«
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