Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
Laurie würde sie nicht kratzen wie Stephen Lewis, dieses Schwein. Doch abgesehen von der praktischen Seite hatten die Fesseln für sie etwas Anziehendes, wie in den kleinen Videos, die sie aus dem Internet heruntergeladen hatte. Für sie hatte es etwas mit Kontrolle zu tun.
Vorsichtig hob sie Lauries Kopf und zog das Kissen vor. Laurie würde sich dank der verabreichten Beruhigungsmittel sicher nicht bewegen. Doch Jazz klemmte sich das Kissen für den Fall unter den Arm, dass Laurie unerwünschte Geräusche von sich geben würde wie diese Nervensäge Sobczyk. Jazz rechnete zwar in Lauries Fall nicht damit, schließlich hatte man ihr einen zentralen Venenkatheter gelegt, was bedeutete, dass das Kalium in eine Hauptvene gepumpt und damit weniger Schmerzen verursachen würde als eine normale Kanüle, doch Jazz wollte auf alles vorbereitet sein. Sie hielt große Stücke darauf, schnell aus ihren Fehlern zu lernen, und je weniger Überraschungen auf sie lauerten, desto besser.
Jazz drehte die Rollerklemme auf und wartete ein paar Augenblicke, bis sie sicher war, dass die Flüssigkeit ungehindert durch den Schlauch floss. Schließlich zog sie die Kaliumspritze aus der Tasche, zog mit den Zähnen die Nadelkappe ab und schob die Nadel in den IV-Port.
Nachdem sie ein letztes Mal zur Tür geblickt und auf verdächtige Geräusche gelauscht hatte, drückte sie den Kolben kräftig und gleichmäßig nach unten. Es dauerte nur fünf Sekunden. Sie wusste, dass die Wirkung umso stärker war, je höher die Kaliumkonzentration war, die das Herz erreichte. Wie immer stieg zunächst der Flüssigkeitspegel in der kleinen Kammer unterhalb der Infusionsflasche an.
Sobald die Spritze leer war, zog Jazz die Nadel wieder heraus und schob die Kappe darüber. Als Laurie sich bewegte, stöhnte und die Augen aufriss, nahm sie das Kissen in die Hand.
»Bon voyage!«, flüsterte Jazz. Mit dem Kissen in der rechten Hand für den Notfall und der Spritze in der linken beugte sie sich über Laurie, weil sie dachte, sie hätte etwas gemurmelt. Sie wollte Laurie gerade auffordern, ihre Worte zu wiederholen, als sie überrascht hochschreckte – hinter ihr wurde die Tür aufgestoßen, die mit Wucht gegen den Türstopper krachte, und ein offensichtlich durchgedrehter Kerl stürmte ins Zimmer. Jazz war einen Augenblick sprachlos und verblüfft über diesen Eindringling, der mit der Gewalt eines Wirbelwinds in dieser leisen, schwach beleuchteten Umgebung auftauchte, besonders weil sie selbst angespannt und auf ihre Arbeit konzentriert war und eigentlich dachte, sie hätte allen Überraschungen vorgebeugt. Sie trat nur reflexartig einen Schritt zurück, ansonsten war sie wie gelähmt.
»Wie geht’s ihr?«, keuchte Jack laut, während er ans Bettende raste. Sein Haar war tropfnass und klebte an seiner Stirn. Mit dem unrasierten Gesicht, den roten Augen, nassen Kleidern und durchgeweichten Schuhen sah er ziemlich wild aus. Er stützte sich mit beiden Händen auf der Metallstange des Bettes ab, erholte sich aber schnell wieder. Es war klar, dass ihm das, was er sah, nicht gefiel. Kurz schoss sein Blick zu Jazz, die, ohne zu antworten, mit dem Kissen und der Spritze in den Händen dastand, dann sah er wieder zu Laurie. Sie stöhnte leise und kämpfte schwach und vergeblich gegen die Handfesseln an.
»Was ist hier los?«, fragte er und sprang auf die andere Seite des Bettes. »Laurie!«, rief er. Seine Hand umfasste kurz Lauries Handgelenk, dann hielt er ihren Kopf, mit dem sie heftig hin- und herwackelte. »Was sollen die Klettbänder hier?«, rief er, erwartete aber keine Antwort. Bei näherem Hinsehen war Lauries Zustand katastrophal und verschlimmerte sich rasant. Sie kämpfte gegen den Tod an. Ihr Gesicht drückte eine Mischung aus Schrecken, Verwirrung und Angst aus.
»Machen Sie das Licht an!«, schrie Jack. »Und rufen Sie den Notarzt!«
Jazz antwortete immer noch nicht, sondern trat, überwältigt von der unerwarteten Situation, nur einen weiteren Schritt zurück.
»Scheiße!«, kreischte Jack die wie gelähmt wirkende Krankenschwester an. Seine Stimme hallte von den Wänden wider. Er brauchte sofort Hilfe, aber er wollte Laurie keine einzige Sekunde mehr aus den Augen lassen.
Wild entschlossen und verzweifelt zerrte Jack das Bett von der Wand. Die festgestellten Räder quietschten über den Boden. Er stieß den Nachttisch so heftig zur Seite, dass alles, was darauf lag, scheppernd nach unten fiel, dann drückte er sich zwischen Wand und
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