Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
unsicher.
»Nun …«, begann Laurie zögernd. Sie kannte Sue so gut, dass sie wusste, dass das, was sie jetzt sagen würde, bei Sue wie eine Ohrfeige ankommen würde. »Ich glaube zwar, dass es die winzige Möglichkeit gibt, dass die Todesursache eine verspätete Reaktion auf die Narkose oder vielleicht ein unerwarteter Nebeneffekt eines Medikaments sein könnte, aber, ehrlich gesagt, das bezweifle ich. Und wenn ich sage winzig, meine ich unendlich klein, weil unsere toxikologischen Tests bisher negativ waren. Was ich sagen will, ist: Ich glaube, bei diesen Todesfällen könnte es sich um Mord handeln.«
Ein paar Augenblicke lang schwiegen beide. Laurie gab Sue die Zeit, bis sich die Information gesetzt hatte. Sue war normalerweise äußerst schlagfertig und ließ nichts auf ihr Krankenhaus kommen. Schließlich hatte sie ihre gesamte Assistenzzeit zwischen diesen Mauern verbracht.
Völlig aufgewühlt von dem, was sie gerade gehört hatte, räusperte sich Sue. »Damit ich das richtig verstehe: Du glaubst, durch unser Krankenhaus läuft nachts ein Sensenmann?«
»Wenn du es so ausdrücken willst, ja. Zumindest befürchte ich das. Bevor du die Idee von vornherein verwirfst, denk doch bloß mal an die Fälle, über die in den vergangenen Jahren berichtet wurde, in denen geistesgestörte Mitarbeiter in Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge ihre Patienten ins Jenseits befördert haben. Du erinnerst dich doch daran, oder?«
»Klar erinnere ich mich daran.« Sue schien den Vergleich als Beleidigung aufzufassen und richtete sich auf ihrem Stuhl auf. »Aber wir sind hier nicht in der Provinz und betreiben kein anrüchiges Pflegeheim. Dies hier ist eine der größten Kliniken, in der es mehrere Kontrollebenen gibt. Und diese Patienten, von denen du sprichst, waren weder bettlägerig noch dem Tod geweiht.«
Laurie hob die Schultern. »Die Tatsache, dass wir keine Erklärung für die vier Todesfälle haben, lässt sich aber nicht bestreiten. Und soweit ich mich erinnere, waren einige der Einrichtungen, in denen diese Verbrechen passierten, ebenfalls hoch angesehen. Schlimm war vor allem noch, dass es so lange gedauert hat, bis das Morden endlich ein Ende hatte.«
Sue holte tief Atem und ließ ihren Blick verständnislos durch die Kantine wandern.
»Sue, ich erwarte doch gar nicht, dass du persönlich etwas unternimmst«, beruhigte sie Laurie. »Du brauchst auch nicht das Manhattan General zu verteidigen. Ich weiß, dass es ein hervorragendes Krankenhaus ist, und ich will es auf keinen Fall in den Dreck ziehen. Ich habe nur gehofft, dass du weißt, wen eine von uns beiden darüber informieren kann, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Ganz ehrlich, ich würde diesem Menschen genau dasselbe erzählen wie dir, vorausgesetzt, meine Anonymität bleibt gewahrt. Zumindest so lange, wie das Gerichtsmedizinische Institut offiziell noch nichts damit zu tun hat.«
Sue entspannte sich erkennbar; sie gab ein tonloses Lachen von sich. »Entschuldige. Ich glaube, ich vertrage tatsächlich nicht, wenn man mein Allerheiligstes kritisiert. Gott, bin ich dumm!«
»Kennst du jemanden, mit dem ich reden könnte? Jemanden aus der Krankenhausverwaltung? Oder was ist mit dem Leiter der Anästhesie? Vielleicht sollte ich mit ihm reden.«
»Nein, nein, nein!«, rief Sue. »Ronald Havermeyer hat ein Ego, so groß wie eine tektonische Platte. Und die dazugehörigen Vulkanausbrüche werden gleich mitgeliefert. Er hätte lieber Chirurg werden sollen. Mit ihm darfst du auf keinen Fall reden! Er wird die Sache eindeutig persönlich nehmen und sich an dem Überbringer der Nachricht rächen. Das weiß ich, weil ich in verschiedenen Ausschüssen mit ihm zusammengearbeitet habe.«
»Was ist mit dem Krankenhausdirektor? Wie heißt er noch mal?«
»Charles Kelly. Aber der ist genauso schlimm wie Havermeyer, wenn nicht gar schlimmer. Er ist nicht einmal Arzt, und er sieht alles nur durch die betriebswirtschaftliche Brille. Ich bezweifle, dass er für dein Anliegen ein Ohr hat, und er wird jedenfalls sofort nach einem Sündenbock suchen. Nein, es muss jemand sein, der sich klug verhalten würde. Vielleicht ein Mitglied vom Ausschuss für die Erkrankungs- und Sterblichkeitsrate.«
»Wieso das?«
»Weil sich der Ausschuss mit solchen Themen beschäftigt und sich einmal pro Woche trifft, um ein wachsames Auge auf das zu haben, was hier vor sich geht.«
»Wer sitzt in dem Ausschuss?«
»Ich habe das ein halbes Jahr gemacht. Aus dem klinischen
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