Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
die Freundschaft gekündigt hatte.
Als Marlene, die Frau am Empfang, den Türöffner drückte, um sie in den ID-Raum zu lassen, musste Laurie lächeln – die ganze Sache hatte doch etwas von einer Seifenoper. Ein Verhalten zu ändern – ihr eigenes oder das eines anderen – war mit Sicherheit nicht leicht. Jetzt aber zwang sie sich erst einmal, nicht mehr an die beiden Männer zu denken.
Sie hängte ihren Mantel über einen der Klubstühle im ID-Raum und den Regenschirm darüber und bediente sich an der Kaffeemaschine. Chet war an der Reihe, zu entscheiden, welche Fälle obduziert werden mussten, und ließ sich, über einen Stapel Akten gebeugt, nicht von seiner Arbeit ablenken.
Laurie rührte ihren Kaffee um und sah auf die Uhr. Immer noch keine acht Uhr, aber später als zu den Zeiten, als sie mit Jack hergekommen war. Vinnie saß nicht hinter seiner Zeitung, was hieß, dass er sich mit Jack bereits nach unten begeben hatte und ihm bei der Obduktion einer Leiche half. Als einziges Geräusch waren Stimmen aus der Telefonzentrale zu vernehmen, wo sich die Frauen auf den Tag vorbereiteten. Laurie mochte diese Einsamkeit, weil sie wusste, dass in einer Stunde hier die Hölle los sein würde.
»Ist Jack schon unten?«, fragte Laurie und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee.
»M-hm«, antwortete Chet, ohne Laurie anzublicken, hob aber plötzlich den Kopf, als er ihre Stimme erkannte. »Laurie! Prima! Ich sollte dir etwas ausrichten, falls du schon vor acht hier wärst. Janice will unbedingt mit dir sprechen. Sie war schon zweimal hier.«
Lauries Augen blitzten auf. »Ging es um einen neuen postoperativen Patienten aus dem Manhattan General?« Sie hatte Janice gebeten, ihr Bescheid zu geben, wenn wieder ein solcher Fall hereinkommen sollte. Das hieße, dass es ihr viel leichter fallen würde, die beiden Männer, die es in ihrem Leben gab, aus ihren Gedanken zu verbannen, da die Zahl der verdächtigen Mordfälle – bisher vier – um satte fünfundzwanzig Prozent gestiegen wäre. Die beiden Fälle, die sie obduziert hatte – McGillan und Morgan –, hatte sie immer noch nicht abgeschlossen. Die anderen beiden waren von Kevin und George als natürliche Todesursache ad acta gelegt worden, wogegen Laurie aber protestiert hatte.
»Nein, es ging nicht um einen Patienten aus dem Manhattan General«, antwortete Chet mit einem verschmitzten Lächeln, das Laurie aber nicht deuten konnte. Sie ließ ihre Schultern enttäuscht sinken. »Nicht um einen, sondern um zwei!« Er tippte oben auf zwei Ordner, die er zur Seite gelegt hatte, und schob sie ein Stück auf Laurie zu. »Und sie müssen obduziert werden.«
Laurie schnappte sich die Ordner und las die Namen: Rowena Sobczyk und Stephen Lewis. Alter: sechsundzwanzig und dreiunddreißig. »Kommen sie beide aus dem Manhattan General?« Sie wollte auf Nummer sicher gehen.
Chet nickte.
Das war doch viel zu schön, um wahr zu sein, dachte Laurie. Die perfekte Ablenkung! Ihre Serie würde auf sechs Fälle ansteigen, nicht nur auf fünf. Das entsprach einer Steigerung von fünfzig Prozent. »Ich würde gern beide Fälle übernehmen«, bat sie hastig.
»Sie gehören dir«, erwiderte Chet.
Ohne ein weiteres Wort schnappte sich Laurie ihren Mantel und ihren Schirm. Mit den Ordnern unter dem Arm und der vollen Tasse in der Hand huschte sie durch die Telefonzentrale und das Schreibzimmer zum Büro der forensischen Ermittler. Laurie platzte fast vor Neugier. Sie hatte während der letzten fünf Wochen sehr zu leiden gehabt, nachdem sich ihre Serienmörder-Theorie nicht erhärten ließ und von allen außer Roger abgeschmettert worden war. Jack hatte die Fälle zu mehreren kräftigen Seitenhieben benutzt. Selbst Sue Passero hatte die Theorie verworfen, nachdem sie sich, wie sie sich ausgedrückt hatte, heimlich im Krankenhaus umgehört hatte. Zum Glück hatten weder Calvin noch Riva das Thema breitgetreten.
Nachdem die Krankenakten endlich aus dem Hospital eingetroffen waren, hatte Laurie ihr Schema vervollständigt, aber keinen eindeutigen Hinweis entdeckt. Eigentlich fand sie keinen einzigen Zusammenhang zwischen den Fällen. Alles unterschied sich voneinander – Chirurgen, Anästhesisten, Narkotika, präoperative und postoperative Medikamente sowie die Abteilungen, in denen die Patienten gelegen hatten. Das Schlimmste war, dass die toxikologischen Tests nichts ergeben hatten, obwohl Peter alle Tricks probiert hatte, die er mit dem Gaschromatographen und dem Massenspektrometer
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