Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
verhalten habe noch Gewalt im Spiel gewesen sei. Aber das kaufe ich denen nicht ab, obwohl das mit dem Alkohol stimmen könnte.«
»Und wieso glaubst du das nicht?«
»Erstens, die Schädelfraktur befindet sich oben auf dem Kopf«, begann Jack. »Schwierige Stelle, wenn man im Badezimmer stürzt, es sei denn, man ist ein Schlangenmensch. Zweitens, schau dir mal diese Flecken an der Innenseite des Unterarms an!« Jack zeigte auf eine Reihe punktförmiger Hautblutungen, die nur aus unmittelbarer Nähe zu erkennen waren. »Als Nächstes schau dir die weißen Streifen an Handgelenk und Ringfinger an. Die Frau hat auf der Kreuzfahrt viel Zeit in der Sonne verbracht. Und weißt du was? In ihrer Kabine hat man weder einen Ring noch eine Uhr gefunden. Das muss ich dem Tourarzt, der dort war, schon lassen – obwohl es schon spät war, hat er richtig geschaltet. Die Kabine und das Bad waren zwar schon geputzt, aber er hat trotzdem die richtigen Fragen gestellt.«
»Dann glaubst du, es war Mord?«
»Auf jeden Fall, auch wenn die Reederei was anderes behauptet. Natürlich werde ich nur das weitergeben, was ich finde, aber wenn jemand meine Meinung hören will, sage ich, dass diese Frau mit einer Art Hammer niedergeschlagen und dann achtlos an den Armen in das Badezimmer der Kabine gezogen wurde, während sie noch gelebt hat. Dann wurde sie ausgeraubt und zum Sterben liegen gelassen.«
»Hört sich an wie eine Bestätigung dafür, dass Todesfälle bei Älteren gewisse Parallelen zu denjenigen aufweisen, die mit Kindesmissbrauch zu tun haben.«
»Stimmt genau«, bestätigte Jack. »Weil man von Älteren erwartet, dass sie sterben, hegt man weniger Verdacht auf einen gewaltsamen Tod als bei einem jüngeren Menschen.«
»Das ist ein guter Fall für den Unterricht.« Laurie versuchte, ein zufriedenes Gesicht zu machen, bevor sie zu ihrem Tisch weiterging. Auch wenn sie und Jack das Gespräch auf einer vernünftigen Ebene beendeten, zeigte sich doch, wie schwierig es ansonsten war, mit Jack ernsthaft über ihre gemeinsame Beziehung zu reden. Doch sie schob diesen Gedanken beiseite, als sie auf die Leiche von Rowena Sobczyk hinabblickte.
»Erwartest du von diesem Fall irgendwas Besonderes?«, wollte Marvin wissen.
»Nö. Ich glaube, das ist eine ganz einfache Sache«, sagte Laurie, als sie mit der äußeren Untersuchung begann. Ihr erster Eindruck war, dass die Frau beträchtlich jünger aussah als sechsundzwanzig. Sie war klein, hatte eine zarte, fast jugendliche Erscheinung mit lockigem, schwarzem Haar. Ihre Haut war fast makellos und elfenbeinfarben, nur an den entsprechenden Stellen schneeweiß. Der Verband am Fuß war sauber und trocken.
Wie bei McGillan und Morgan steckten auch bei ihr noch der Trachealtubus im Mund und die Infusionskanüle im Arm. Laurie untersuchte beides, bevor sie sie herauszog. Sie suchte nach Anzeichen von Drogenmissbrauch, fand aber keine, und schließlich entfernte sie den Verband. Die Operationswunde war nicht entzündet und hatte nur ganz wenig genässt.
Auch im Innern der Leiche ließ sich nichts Auffälliges finden. Herz und Lunge waren völlig normal, nur eine Rippe war durch die Wiederbelebungsversuche gebrochen. Wie bei den anderen Fällen entnahm Laurie für die toxikologische Untersuchung mehr Proben als üblich. Sie gab die Hoffnung nicht auf, dass Peter irgendwann einmal etwas finden würde.
»Willst du gleich den zweiten Fall hinterher schieben?«, fragte Marvin, als sie die Leiche wieder zugenäht hatten.
»Klar«, sagte Laurie und half ihm beim Wechsel. An Jacks Tisch ging sie ohne zu zögern vorbei, weil sie sich nicht schon wieder seine Kommentare anhören wollte. Wenn er sie gesehen hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Aber mittlerweile war der Seziersaal voll belegt, und die vielen Ärzte und Helfer sahen in ihren Mondanzügen alle gleich aus. Und weil sich das grelle Licht in den Kunststoffvisieren spiegelte, konnte man die Gesichter dahinter sowieso nur schlecht erkennen.
Sobald die Leiche von Stephen Lewis für die Obduktion ausgerichtet auf dem Tisch lag, begann Laurie mit der äußeren Untersuchung. In der Zwischenzeit holte Marvin die Probenfläschchen und die anderen Materialien, die sie für die Obduktion brauchte. Laurie zwang sich, ihren normalen Ablauf einzuhalten, um nichts zu vergessen. Sie war sich zwar fast hundertprozentig sicher, dass die Obduktion ebenfalls keinen pathologischen Befund ergeben würde, aber sie wollte trotzdem gründlich vorgehen. Und
Weitere Kostenlose Bücher