Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
sie nicht getan, und jetzt plagte sie ihr schlechtes Gewissen. Als sie den Ordner zu den anderen legte, nahm sie sich fest vor, möglichst bald McGillan anzurufen. Was er wohl sagen würde, wenn sie ihm erzählte, dass sie mit der Idee an einen Serienmörder schwanger ging?
Im Vertrauen auf Janices Einschätzung vervollständigte sie ihr Schema mit den Angaben über Lewis und Sobczyk, obwohl sie die Obduktion noch gar nicht durchgeführt hatte. Da Janice gewusst hatte, dass Laurie die Fälle bearbeiten wollte, hatte sie gründliche Arbeit geleistet, sodass Laurie auch ohne die Krankenakten die Felder für das Alter der Patienten, den Zeitpunkt der Feststellung des Todes, den behandelnden Arzt, die chirurgischen Eingriffe und die Lage der Krankenzimmer ausfüllen konnte. In der Zwischenzeit trat Riva ein.
»Ergänzt du dein Schema?«, fragte Riva, die ihr über die Schulter schaute.
»Es gibt zwei weitere Fälle. Damit sind es sechs. Bis jetzt scheinen sie den vorherigen genau gleich zu sein, obwohl ich die Obduktion noch nicht durchgeführt habe. Möchtest du deine Meinung über die Todesart ändern? Schließlich ist das eine fünfzigprozentige Steigerung.«
Riva lachte. »Ich glaube nicht, vor allem nicht, weil der toxikologische Befund negativ war, obwohl sich Peter richtig ins Zeug gelegt hat. Wie geht’s übrigens deiner Mutter? Ich vergesse immer zu fragen.«
»Der geht’s überraschend gut«, antwortete Laurie. »Natürlich erfahre ich nicht so viel darüber, weil sie so tut, als wäre die ganze Sache gar nicht passiert.«
»Ich bin froh, dass es ihr gut geht«, erwiderte Riva. »Sag ihr mal einen schönen Gruß von mir. Hey, wie läuft es denn mit deinem neuen Schönling? Du hast dich bisher auffallend bedeckt gehalten.«
»Es klappt ganz gut.« Laurie vermied alle Details. Riva hatte Recht – sie hatte bisher nicht viel über Roger erzählt. Doch bevor Riva noch weitere Fragen stellen konnte, griff Laurie zum Telefonhörer und rief unten im Büro vom Seziersaal an. Sie war erleichtert, als Marvin sich meldete. Sie erzählte ihm von den beiden Fällen und sagte, sie wolle sich Sobczyk zuerst vornehmen. Munter wie immer versicherte er ihr, er würde auf sie warten.
»Wir sehen uns dann in der Grube«, verabschiedete sich Laurie von Riva und schnappte sich die Ordner von Sobczyk und Lewis. Auf dem Weg zum Fahrstuhl bereitete sie sich innerlich auf die Fälle vor, was leicht war, da sie schon hoffte und vermutete, dass sie nicht viel finden würde. Als sie sich umgezogen hatte und im Mondanzug den Seziersaal betrat, war Marvin mit den Vorbereitungen schon fast fertig. Auf dem Weg zum Tisch kam sie an Jack vorbei.
Als er Laurie erkannte, blickte er auf die Uhr an der Wand und richtete sich auf. Vor ihm lag die Leiche einer älteren, kräftigen Frau, deren strähniges Haar zum Teil abrasiert war, um eine Schädelfraktur freizulegen. »Dr. Montgomery, es scheint, als würdest du dich seit neuestem an den Öffnungszeiten der Banken orientieren. Lass mich raten! Ich wette, du warst gestern mit deinem französischen Freund unterwegs und hast ordentlich auf die Pauke gehauen.«
»Sehr lustig.« Laurie unterdrückte ihre Wut und zwang sich, nicht gleich weiterzugehen. »Aber du liegst in beiden Fällen falsch. Ich war gestern Abend zu Hause, und Roger ist genauso Amerikaner wie du.«
»Komisch«, meinte Jack. »Rousseau hört sich doch französisch an. Oder nicht, Vinnie?«
»Ja, und mein Name ist italienisch, aber das heißt noch lange nicht, dass ich kein Amerikaner wäre.«
»Hey, Mann, du hast Recht!«, rief Jack mit gespielter Reue. »Ich denke, ich ziehe schon wieder voreilige Schlüsse. Tut mir Leid!«
Laurie ärgerte sich, mit welcher Penetranz Jack sie aufzog, und war auch etwas besorgt und ängstlich über die Wut, mit der er kaum hinterm Berg hielt. Doch hier im Obduktionssaal und mit Vinnie als Zeugen wollte sie lieber das Thema wechseln und deutete auf die Schädelfraktur der Leiche. »Ich denke, die Todesursache ist ziemlich klar.«
»Die Todesursache vielleicht, aber nicht die Todesart«, gab Jack zu bedenken.
»Und wieso?«, wollte Laurie wissen.
»Interessiert dich das wirklich?«
»Sonst hätte ich nicht gefragt.«
»Also, das Opfer wurde mitten in der Nacht eilig von einem Kreuzfahrtschiff runtergebracht. Die Reederei hat behauptet, die ältere Dame sei betrunken im Badezimmer ihrer Privatkabine gestürzt und dabei gestorben. Im Bericht steht, dass sich die Frau weder auffällig
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