Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
ihre methodische Vorgehensweise machte sich auch fast sofort bezahlt. Unter den Nägeln des Ring- und Zeigefingers seiner rechten Hand entdeckte sie geringe Spuren von verkrustetem Blut. Hätte sie nicht extra hingeschaut, wäre ihr die Sache entgangen. Bei Sobczyk, Morgan und McGillan war ihr dergleichen nicht aufgefallen, und auch in den Berichten von George und Kevin zu deren Fällen hatte nichts in der Art gestanden.
Laurie legte die Hand wieder zurück auf den Tisch und suchte sorgfältig nach Kratzern, auf die sich das Blut unter den Nägeln des Toten hätte zurückführen lassen können, fand aber keine. Auch die Einstichstelle der Infusionskanüle blutete nicht. Als Nächstes entfernte sie den Verband über seiner rechten Schulter. Die Operationswunde war geschlossen und nicht entzündet, auch wenn sie nach der Operation ein bisschen geblutet hatte, was Laurie an dem verkrusteten Rand erkannte. Es schien aber ziemlich unwahrscheinlich zu sein, dass diese Stelle der Grund für das Blut unter den Fingernägeln wäre, denn Lewis dürfte Probleme gehabt haben, mit der rechten Hand an die Wunde seiner rechten Schulter zu gelangen.
Als Marvin zurückkam, bat Laurie um einen Tupfer und zwei Probenbehälter. Sie wollte von beiden Proben die DNS untersuchen lassen, nur um sicherzugehen, dass sie zum Opfer gehörten. Doch schließlich merkte sie, dass sich unter den Nägeln auch kleine Spuren von Gewebe befanden. Aus dem hintersten Eck ihres Gehirns drängte sich ihr ein Gedanke auf: Wenn sich die Serienmörder-Theorie bewahrheiten sollte und Lewis geahnt hätte, was der Mörder im Schilde führte, könnte es sein, dass er sich gewehrt und den Mörder gekratzt hatte. Dieser Gedanke war zwar sehr gewagt, aber Laurie, die sich rühmte, peinlich genau zu arbeiten, würde herausfinden, ob das stimmte.
Der Rest der Obduktion war schnell erledigt. Laurie und Marvin waren mittlerweile ein eingespieltes Team und brauchten sich kaum noch abzusprechen. Wie Tangotänzer ahnten sie voraus, welche Bewegung der andere im Sinn hatte. Und auch in diesem Fall ergab sich kaum ein pathologischer Befund. Das Einzige waren winzige Balggeschwülste in der Bauchaorta und ein gutartig aussehender Polyp im Dickdarm. Aber eine Erklärung für den plötzlichen Tod bot dieser Befund nicht.
»Ist das Ihr letzter Fall?«, fragte Marvin, als er Laurie den Nadelhalter abnahm, nachdem die Leiche fertig zugenäht war.
»Scheint so.« Laurie blickte sich im Saal nach Chet um, sah ihn aber nirgends. »Ich denke, wir sind fertig. Sonst hätte mir jemand Bescheid gegeben.«
»Die beiden Fälle von heute Morgen erinnern mich an diese anderen beiden, die wir vor einem Monat oder so gemacht haben«, meinte Marvin, der bereits anfing, die Instrumente zu reinigen und die Probenfläschchen einzusammeln. »Erinnern Sie sich, dass wir bei den beiden auch nichts gefunden haben? Mir fallen ihre Namen nicht mehr ein.«
»McGillan und Morgan«, half ihm Laurie auf die Sprünge. »Klar erinnere ich mich, und ich bin beeindruckt, dass Sie das auch tun, obwohl Sie mit so vielen Fällen zu tun haben.«
»Ich erinnere mich, weil Sie sich geärgert haben, dass Sie nichts gefunden haben. Hey, wollen Sie die Probenfläschchen selbst mitnehmen, oder soll ich sie mit den anderen Sachen nach oben schicken lassen?«
»Ich kümmere mich um die Toxikologie- und DNS-Proben«, sagte Laurie. »Die Mikroskopieproben können mit den anderen versorgt werden. Und danke, dass Sie mich daran erinnert haben. Ich muss schon sagen, ich weiß Ihre Arbeit immer mehr zu schätzen.«
»Oh, super«, erwiderte Marvin. »Ganz meinerseits. Ich würde mir wünschen, dass alle Ärzte so wären wie Sie.«
»Ach, das wäre doch langweilig«, erwiderte Laurie lachend, als sie die Proben an sich nahm. An Jacks Tisch ging sie wieder vorbei, ohne stehen zu bleiben. Aber sie hörte, wie Jack und Vinnie über ihre eigenen Witze, wahrscheinlich Exemplare voller schwarzem Humor, lachten. Laurie desinfizierte sich selbst und die Probenfläschchen, bevor sie in den Flur trat.
Ohne Zeit zu verlieren, zog sie sich den Mondanzug aus und steckte den Akku in das Ladegerät. Noch im Overall, die Proben an sich gedrückt und die Ordner unter den Arm geklemmt, ging sie zum hinteren Fahrstuhl. Von Stockwerk zu Stockwerk erhöhte sich ihre Pulsfrequenz, Sie war aufgeregt. Die Obduktionen hatten Janices Einschätzung bestätigt, und jetzt war Laurie überzeugt, dass ihr Serienmörder bereits sechsmal zugeschlagen
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