Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
noch eine Frage ein: »Falls in dieser Woche noch mehr MRSA-Fälle hereinkommen, kann ich die obduzieren?«
»Natürlich«, lautete Rivas Antwort, bevor sie endgültig nach Hause ging.
Laurie wandte sich wieder ihrem Schreibtisch zu, auf dem sich neben den drei Stapeln mit Fallakten aus den drei Angels-Healthcare-Kliniken auch die ausgedruckten Patientenakten türmten. Es dauerte drei Minuten, bis sie den Fallakten die entsprechenden Patientenakten hinzugefügt hatte. Ein paar Patientenakten fehlten noch, genau, wie Cheryl gesagt hatte.
Dann nahm Laurie sich ihre Tabelle vor und ging David Jeffries’ Patientenakte durch. Dabei füllte sie alle Rubriken aus, die sie bisher leer lassen musste. Da sie immer noch das Gefühl hatte, dass der Operationssaal der Ort der Infektion sein musste, las sie den Anästhesiebericht besonders gründlich durch und achtete auf jedes Detail. Dabei fielen ihr noch ein paar zusätzliche Kategorien ein, an die sie bis jetzt noch nicht gedacht hatte, nämlich die Nummer des OP, die Dauer der Operation, die Dauer des Aufenthalts im Aufwachraum und welche Medikamente im Aufwachraum verabreicht worden waren. In den Notizen der Pflegekräfte fand sie die Namen der OP-Schwester sowie des OP-Assistenten. Mit dem Lineal fügte sie ihrer Tabelle neue Spalten hinzu, um auch für diese Informationen Platz zu schaffen.
Als sie mit David Jeffries’ Patientenakte fertig war, griff sie nach der nächsten. Sie gehörte zu einem von Paul Plodgets Patienten, einem achtundvierzigjährigen Mann namens Gordon Stanek. Wie Jeffries war auch er Patient des Angels Orthopedic Hospital gewesen. Und wie bei Jeffries nahm sie auch hier die Patientenakte zu Hilfe, um die einzelnen Rubriken ihrer Tabelle auszufüllen. Auch hier war, wie schon bei Rivas Fällen, wieder ein anderer Anästhesist zuständig gewesen. Es überraschte sie nicht weiter, dass alle anderen Personen, die Patientenkontakt gehabt hatten, einschließlich des Chirurgen und der Krankenschwestern, ebenfalls andere gewesen waren als bei Jeffries. Sogar die Narkose selbst war unterschiedlich gewesen. Zwar hatten beide eine Vollnarkose erhalten, doch Jeffries war mit Hilfe eines endotrachealen Schlauchs betäubt worden, während bei Stanek eine Laryngealmaske zur Anwendung gekommen war. Sie waren nicht einmal mit dem gleichen Mittel betäubt worden.
Laurie ließ sich an die Stuhllehne sinken und schaute zuerst auf ihre Tabelle und dann auf all ihre Fall- und Patientenakten. Es würde ein langwieriger Prozess, aber irgendwann, so hoffte sie, würde sie vielleicht auf eine Gemeinsamkeit stoßen.
Gerade als sie nach der nächsten Patientenakte greifen wollte, fiel ihr draußen im Flur ein rhythmisches Stampfen auf. Es war ziemlich leise und klang, als käme es von weit her, und wenn es nicht schon fünf Uhr vorbei und darum besonders still im Gebäude gewesen wäre, hätte sie es vielleicht gar nicht wahrgenommen. So aber setzte sie sich kerzengerade hin und lauschte angestrengt mit schräg gelegtem Kopf. Der Rhythmus blieb zwar derselbe, wurde jedoch zunehmend lauter. Als würde jemand mit einem Gummihammer auf den Boden klopfen und dabei immer näher und näher kommen.
Wie ein Stromschlag fuhr ihr eine irrationale Angst in die Glieder. Sie wollte aufspringen und die Tür verrammeln, und doch blieb sie wie angewurzelt auf ihrem Stuhl sitzen.
»Hallo, Süße«, sagte Jack, als er seinen Kopf durch die Tür streckte und auf Krücken Lauries Büro betrat. Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Stirn. »Rate mal, was ich gerade gemacht habe. Da kommst du nie drauf.« Er lehnte seine Krücken an Rivas Aktenschrank und setzte sich auf ihren Platz. »Es hat jedenfalls eine Menge Spaß gemacht«, fügte er hinzu, doch dann registrierte er Lauries Gesichtsausdruck und unterbrach sich mitten im Satz. Er beugte sich nach vorne und wedelte ihr mit der Hand vor dem Gesicht herum. »He, du da! Ist jemand zu Hause?«
Laurie schlug ihm die Hand weg. »Du hast mir mit deinen Krücken richtig Angst eingejagt, so still ist es hier«, sagte sie und wusste für einen kurzen Augenblick nicht genau, ob sie nun verstimmt oder erleichtert sein sollte.
»Wieso denn das?« Jack war verwirrt.
»Weil …«, fing Laurie an, doch dann wurde ihr klar, wie lächerlich es war, dass sie sich von Jacks auf den Vinylfußboden klopfenden Krücken hatte ins Bockshorn jagen lassen. Vermutlich ein Anzeichen dafür, wie überreizt sie war.
»Tut mir leid«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher