Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
diesem Zeitraum ebenfalls vier MRSA-Fälle hatte und Edward einen. Zwar stammte einer von Pauls Fällen aus dem Manhattan General – der tragische Fall eines vollkommen gesunden fünfjährigen Mädchens, bei dem aus einer verbrennungsartigen Wunde, die es sich auf dem Spielplatz zugezogen hatte, eine fulminante nekrotisierende Pneumonie geworden war –, aber alle anderen kamen aus einer der Angels-Healthcare – Kliniken. Zunächst war Jonathan Wilkinson einer nekrotisierenden Pneumonie zum Opfer gefallen, nachdem er einen dreifachen Herzbypass bekommen hatte. Dann hatte Judith Astor nach einer Gesichtsstraffung durch eine Art Toxisches Schock-Syndrom den Tod gefunden, und der Dritte war Gordon Stanek, der nach einer Operation an der Muskelsehnenkappe seines Schultergelenks ebenfalls an nekrotisierender Pneumonie erkrankt und verstorben war. Edwards Fall war Leroy Robinson, der an einem offenen Bruch des Handgelenks operiert worden war und sich anschließend eine nekrotisierende Pneumonie zugezogen hatte.
Laurie stürmte im Laufschritt in ihr Büro, so schnell, dass sie auf dem stark gewachsten Vinylboden kurz ins Rutschen kam. Sie setzte sich, zog den Stuhl dicht an ihren Schreibtisch und griff nach ihrer schnell wachsenden Tabelle, um Pauls und Edwards Fälle einzutragen.
»Kannst du mich beim nächsten Mal vielleicht vorher daran erinnern, dass ich nie wieder einen Fall zusammen mit unserem geliebten Chef bearbeiten wollte?«, sagte Riva und drehte sich zu Laurie um. Das war ein weit verbreiteter Scherz im OCME, wenn jemand gezwungen war, mit Bingham zu obduzieren. Riva war zwischen zwei Obduktionen schnell ins Büro gekommen, um ein paar Telefonate zu erledigen. Sie musterte Laurie, die sich gewissenhaft an ihre Arbeit gemacht hatte, und fragte sich, wieso ihre Kollegin ihr nicht einmal »Guten Tag« gesagt hatte. Das sah ihr eigentlich gar nicht ähnlich.
»He!«, rief Riva, nachdem etliche Minuten verstrichen waren. »Was machst du denn da?«
Lauries Kopf schnellte nach oben. Sie bemerkte ihren Fauxpas und entschuldigte sich. »Ich bin da auf etwas ziemlich Ungewöhnliches gestoßen.«
»Was denn?« Leises Misstrauen schwang in Rivas Stimme mit. Sie kannte Laurie als leidenschaftlichen Menschen, der seine Arbeit liebte und sich immer wieder mit großer Begeisterung auf besonders problematische Fälle stürzte. Manchmal war diese Begeisterung angemessen und manchmal nicht.
»Eine kleine Epidemie mit nosokomialen MRSA-Infektionen, die weitgehend unerkannt geblieben ist.«
»Also, weitgehend unerkannt würde ich nicht sagen«, erwiderte Riva. »Das gibt es doch seit einem Jahrzehnt oder sogar noch länger, nicht nur hier bei uns, sondern in vielen andere Ländern. Hat das nicht in Großbritannien angefangen?«
»Dann drücke ich es mal anders aus. Innerhalb der letzten ungefähr dreieinhalb Monate sind in drei Krankenhäusern des Klinikunternehmens Angels Healthcare eine ganze Anzahl schwerer MRSA-Erkrankungen mit fulminantem Verlauf aufgetreten. Die Patienten sind allesamt gestorben.«
»Nur in diesen drei Kliniken?«
»Nur dort. Bis auf einen Fall, von dem ich erst vor fünf Minuten erfahren habe und der sich im Manhattan General abgespielt hat, stammen alle aus diesen drei Kliniken.«
»Um wie viele Fälle geht es denn?«
Laurie betrachtete sich ihre stetig wachsende Tabelle und zählte. »Bis jetzt einundzwanzig, aber ich muss noch mit Chet, unserem stellvertretenden Chef und eigentlich auch noch mit Jack sprechen.«
»Geht es dabei um diesen neueren, nicht im Krankenhaus erworbenen CA-MRSA-Stamm in Verbindung mit nekrotisierenden Pneumonien?«
»In den meisten Fällen, ja«, antwortete Laurie. »In einigen anderen Fällen wird ein Toxisches Schock-Syndrom beschrieben. Das sind die Fälle mit einer großflächigen Lungenentzündung, ausgelöst durch die bakteriellen Toxine und die übermäßige Ausschüttung von Zytokin des Verstorbenen, während der eigentliche Infektionsherd sich an einer anderen Stelle befindet. Und was den Bakterienstamm angeht: In den Fällen, bei denen ich die Fallakten eingesehen habe, war es eine CA-MRSA. Das Problem ist, dass ich bisher nur wenige einsehen konnte.«
»Wenn das so ist, dann hast du jetzt keine einundzwanzig, sondern dreiundzwanzig Fälle.«
»Wie denn das?«, fragte Laurie erstaunt. Sie wandte sich ihrer Tabelle zu und wollte noch einmal anfangen zu zählen.
»Weil ich auch zwei hatte«, erläuterte Riva. »Vor drei Monaten, nur ein, zwei Wochen
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