Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
hatte sie über ihrem stetig größer werdenden Interesse an den MRSA-Fällen völlig vergessen. Es war ihr peinlich, dass sie Marvin so lange hatte warten lassen.
»Du bist mit deinen Gedanken doch ganz woanders«, sagte Riva. »Ich finde bestimmt jemand anderen dafür.«
»Ich mache es«, erwiderte Laurie. Einerseits hätte sie sich gerne weiter mit ihrem augenblicklichen Projekt beschäftigt, aber andererseits plagte sie das schlechte Gewissen, weil sie ihre tägliche Arbeit vernachlässigte. »Falls du Marvin siehst, dann sag ihm, dass ich mich gleich bei ihm melde.«
Mit einem abschließenden Kopfnicken war Riva verschwunden. Die Tür ließ sie offen stehen.
Laurie wandte sich wieder ihrem Computer zu und schickte mit einem letzten Mausklick das zweite Dokument an den Drucker. Da sie wusste, dass es fünf bis zehn Minuten dauern würde, bis die beiden Dokumente ausgedruckt waren, beugte sie sich noch einmal über ihre Tabelle und fügte die beiden Fälle ein, die sie von Riva bekommen hatte. Als sie damit fertig war, lehnte sie sich zurück. Es war eine ziemlich umfangreiche Liste geworden, deutlich größer jedenfalls als die beiden, die sie in der Vergangenheit angefertigt hatte. Jetzt musste sie sich überlegen, welche Daten sie eigentlich erfassen wollte. Teilweise waren sie absolut naheliegend: Alter, Geschlecht, Hautfarbe, behandelnder Arzt, Datum, behandelndes Krankenhaus, Diagnose, Art der Operation, Vorbedingungen, erbliche Vorbelastungen, Narkoseart und Staphylokokken-Typ. Dann zeichnete Laurie zusätzliche senkrechte Linien ein. Sie wusste, dass sie für Angaben wie Alter und Geschlecht weniger Platz benötigte als für Erbanlagen und die Diagnose. Als sie fertig war, versicherte sie sich, dass sie noch Platz für weitere Spalten hatte. Genau aus diesem Grund war sie froh über die Patientenakten. Wenn sie die durchgearbeitet hatte, dann würden ihr noch mehr sinnvolle Kategorien einfallen, das wusste sie.
Zufrieden mit ihren Fortschritten, sprang Laurie auf, um in den Computerraum hinunterzulaufen, doch dann prallte sie im Türrahmen mit Jack zusammen. Sie waren beide verblüfft, Laurie ein wenig mehr als Jack, sie schrie unwillkürlich auf. Jack packte Laurie an den Oberarmen und ließ dabei Patientenakten und Krücken zu Boden fallen.
»Mein Gott!«, witzelte er. »Was ist denn los, brennt es da drin vielleicht?«
Laurie legte eine Hand auf die Brust und holte ein paarmal tief Luft, bevor sie wieder sprechen konnte. »Tut mir leid«, presste sie hervor. »Ich bin ganz in Gedanken, und außerdem habe ich’s eilig.«
»Ich hab schon gehört, wieso du so in Gedanken bist«, erwiderte Jack. »Am Fahrstuhl habe ich Riva getroffen. Sie hat gesagt, du seist da auf etwas besonders Interessantes gestoßen, aber mehr wollte sie nicht sagen. Was ist es denn?«
»Hast du in den letzten drei Monaten vielleicht einen MRSA-Fall mit Befall der Atmungsorgane gehabt?«
»Da musst du mir ein bisschen auf die Sprünge helfen. Abkürzungen sind nicht gerade meine Stärke, das weißt du doch.«
»Methicillinresistenter Staphylococcus aureus«, erwiderte Laurie.
»A-ha. Ist das eine Fangfrage? Dein Kreuzbandfall von heute Morgen, hatte der nicht auch MRSA?«
»Genau«, gab Laurie zu. Dann wollte sie sich bücken, um Jacks Akten und seine Krücken aufzuheben.
Jack hielt sie immer noch an den Oberarmen gepackt und bückte sich dann selbst. »Ich kann mich an keinen einzigen MRSA-Fall erinnern«, sagte er dann, während er sich aufrichtete.
»Und Chet?«
»Könnte schon sein. Ich glaube, ich habe ihn am Telefon mit der ewig lächelnden Agnes Finn über Staphylokokken sprechen hören. Aber ob es da um MRSA ging, weiß ich nicht.«
»Danke für den Hinweis. Ich werde ihn fragen.«
»Dann ist also diese MRSA schuld daran, dass du in Gedanken versunken bist und es so eilig hast?«
»Was das In-Gedanken-Sein angeht, auf jeden Fall, aber eilig habe ich’s, weil ich vergessen habe, dass ich noch einen Fall obduzieren muss. Der arme Marvin wartet schon seit Stunden auf mich.«
»Das hat Riva auch erwähnt. Sie hat gesagt, sie hätte dir angeboten, dass jemand anders den Fall übernehmen könnte. Und dass du ihr Angebot abgelehnt hast, obwohl sie eigentlich das Gefühl hatte, als wäre es dir eigentlich ziemlich recht.«
Laurie stieß ein leises Lachen aus. »Das ist ja fast schon beängstigend sensibel von ihr.«
»Dann überlass ihn doch mir«, sagte Jack. »Ich bin schon fertig für heute, und nach allem,
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