Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
spekuliert, was Jennifer wusste und was sie den Behörden erzählen konnte. Sie konnte mit Sicherheit nicht genau sagen, wo sie gefangen gehalten worden war, da ihre Flucht ja mitten in der Nacht stattgefunden hatte, es sei denn, Veena hatte es ihr verraten. Doch Samira glaubte das nicht. Veena würde die Gemeinschaft niemals im Stich lassen!
Letztendlich kamen sie zu dem Ergebnis, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, zu verduften, bis sich die Aufregung etwas gelegt hatte und sie in Ruhe abschätzen konnten, welchen Schaden Veenas Flucht und Hernandez’ Entkommen verursacht hatten.
»Ich hatte schon immer ein schlechtes Gefühl wegen ihr«, ließ sich Cal von der hinteren Sitzreihe vernehmen. »Rückblickend würde ich sagen, wir hätten sie schon rausschmeißen sollen, als wir ihre persönliche Geschichte mitgekriegt haben. Mannomann, sechzehn Jahre lang unter solchen Bedingungen zu leben, da muss man ja einen Sprung in der Schüssel kriegen.«
»Was meinst du wohl, was die SuperiorCare Hospital Corporation und ihr Vorstandsvorsitzender Raymond Housman dazu sagen, wenn Nurses International den Betrieb einstellt?«, rief Petra vom Fahrersitz aus nach hinten.
»Ich schätze, man wird sehr enttäuscht sein«, erwiderte Cal. »Unsere Arbeit hat in dieser Woche ja eine enorme Wirkung gezeigt. Für SuperiorCare ist es ein Jammer, dass sie für ihre Kohle nicht mehr kriegen, aber leider haben wir schon einen ganzen Haufen Scheine durchgebracht.«
»Gut, dass du dir diesen Notfall-Plan ausgedacht hast, Durell«, meinte Santana. »Sonst säßen wir jetzt immer noch in Neu-Delhi fest.«
»Das war Cals Idee«, erwiderte Durell.
»Aber du hast die ganze Arbeit gemacht«, meinte Cal.
»Da vorne ist Raxaul«, sagte Santana.
Durell legte die Hände seitlich vor das Gesicht und presste sie an die Scheibe. »Es sieht auf jeden Fall ziemlich flach und tropisch aus, ganz anders, als ich mir den Grenzübergang vorgestellt habe.«
»Was meinst du, wie stehen die Chancen, dass wir hier Schwierigkeiten bekommen?«, wollte Petra wissen. Das war die Frage, die sie alle bisher tunlichst vermieden hatten. Jetzt ließ sie sich nicht länger verdrängen.
»Minimal«, sagte Cal schließlich. »Wir sind hier so weit hinter dem Mond, dass die Leute nicht mal ein Visum brauchen, um ins Land rein- und wieder rauszukommen. Das hast du doch gesagt, oder, Durell?«
»Es ist ein Grenzposten, der überwiegend von Lastwagen genutzt wird«, meinte Durell.
»Was meinst du, wie lange wir in Kathmandu bleiben müssen?«, wollte Petra wissen.
»Je nachdem«, sagte Cal.
»Jetzt sind wir offiziell in Raxaul«, rief Santana. Sie deutete auf ein vorbeihuschendes Ortsschild.
Stille legte sich über den schwerfälligen Geländewagen. Petra verlangsamte die Fahrt. Draußen standen jede Menge Verkehrszeichen und parkende Lastwagen herum. Der Ort selbst wirkte heruntergekommen und schmutzig. Die einzigen Menschen auf den dunklen Straßen waren allem Anschein nach Prostituierte.
»Hübsch hier«, bemerkte Durell, um das Schweigen zu brechen.
»Wir nähern uns jetzt dem Zoll«, sagte Santana. Vor ihnen tauchte ein nichtssagendes Gebäude auf. Es stand in der Mitte der Straße und wurde zu beiden Seiten von Parkbuchten umrahmt. Auf leeren Kisten unter einer nackten Glühbirne saßen ein paar uniformierte Zollbeamte. Ein einzelner Polizist hatte sich etwas abseits ebenfalls hingesetzt. Er hielt nicht einmal sein Gewehr in der Hand, sondern hatte es an die Hauswand gelehnt. Hundert Meter hinter dem Zollhaus spannte sich ein mächtiger steinerner Bogen über die Straße und markierte die Grenze. Ein halbes Dutzend Menschen gingen unbehelligt in beide Richtungen darunter hindurch.
Als der Land Cruiser näher kam, stand einer der uniformierten Grenzbeamten auf und hob die Hand. Petra hielt an und ließ das Fenster herunter.
»Autopapiere«, sagte der Zöllner gelangweilt, »und Pässe.«
Sie gaben Petra ihre Pässe. Santana kramte die Wagenpapiere aus dem Handschuhfach hervor. Petra reichte den ganzen Stapel nach draußen.
Ohne ein Wort zu sagen, verschwand der Zollbeamte im Gebäude. Eine Minute verging, dann zwei. Nach fünf Minuten sagte Santana: »Meint ihr, dass alles in Ordnung ist?«
Kein Mucks war zu hören. Mit jeder Minute wurde die Anspannung größer. Ihre ursprüngliche Zuversicht löste sich in Luft auf.
Petra entdeckte die Polizei-Jeeps im Rückspiegel als Erste. Sie waren zu viert, und sie kamen rasch näher. Im Handumdrehen
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