Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
ganze Zeit rückwärts gefahren ist, stecken die Cops in großen Schwierigkeiten wegen Einsatzes unnötiger, lebensgefährlicher Gewalt, wohingegen sie es nur mit Totschlag in einer Notfallsituation zu tun hätten, wenn er vorwärts gefahren sein sollte.«
»Haargenau«, bestätigte Lou. »Und damit das Ganze auch richtig interessant wird, lag der Geschossmantel auf dem Vordersitz, und das Opfer hatte eine Wunde im Unterarm.«
»Stimmt, dadurch wird’s wirklich viel interessanter«, sagte Jack fröhlich. »Vinnie, komm’ endlich in die Hufe. Wir haben einen Job zu erledigen.« Dann sah er Laurie an und fügte hinzu: »Besorg dir einen Fall und komm dann auch runter. Ich reservier dir den Nachbartisch, wie wir besprochen haben.«
»Super«, antwortete Laurie, während Jack, Lou und Vinnie durch die Telefonzentrale, in denen Mitarbeiter die Meldung von Todesfällen entgegennahmen, nach hinten verschwanden. Sie ging zu Arnold. »Hast du schon einen Fall für mich? Es kann auch gerne ein eindeutiger Fall sein, nicht unbedingt ein komplizierter. Ich möchte heute nur mal meinen großen Zeh ins Wasser strecken und noch nicht ins Tiefe springen. Ich habe Angst davor, Mist zu bauen.«
»Für dich gibt’s heute keinen Fall, Laurie«, sagte Arnold. »Binghams Anweisung. Er hat angeordnet, wenn wir heute nicht gerade von Leichen überschwemmt werden, dass du keine abbekommst, damit du dich nach all der Zeit erst einmal akklimatisieren kannst. Du hast also frei heute. Herzlich willkommen zurück!«
Laurie atmete mit gespitzten Lippen hörbar aus. Sie wusste nicht, ob sie erfreut oder enttäuscht sein sollte. Einerseits war es auch gut, wenn sie in ihr Büro hochgehen konnte, um sich wieder einzurichten – schließlich war sie seit zwei Jahren nicht mehr dort gewesen –, andererseits verschob sich das Unvermeidbare dadurch nur. Sie würde ihre Ängste am nächsten Tag noch einmal durchleben müssen. »Hattest du den Eindruck, dass er sehr entschlossen in dem Punkt war, oder sagte er etwas in der Art, ich solle machen, was mir lieber sei?«
»Er war so entschlossen, wie nur Dr. Harold Bingham es sein kann. Du kennst den Boss. Er ist niemals wischi-waschi. Er sagte, als Erstes solltest du in sein Büro kommen, damit er dich begrüßen kann!«
»Okay«, sagte Laurie resigniert. Sie überließ Arnold seinen Tabellen und folgte Jack und den anderen. Ihr erster Gedanke war, ins Leichenschauhaus hinunterzugehen und Jack mitzuteilen, dass sie an diesem Tag noch nicht mit ihm in der Grube arbeiten würde, entschied sich aber anders, als sie den hinteren Fahrstuhl erreichte. Sie kannte Jacks ausgeprägte Vorliebe für interessante Fälle – und Lous SV schien eindeutig einer zu sein – und wusste, wie vertieft er in seine Arbeit sein würde. Also beschloss sie, es ihm später zu sagen. Stattdessen wandte sie sich dem Verwaltungstrakt zu, um nachzuschauen, ob Harold Bingham bereits in seinem Büro war. Auf ihrem Weg dorthin nahm sie ihr Handy für den ersten von vielen Kontrollanrufen, um zu erfahren, wie es JJ ging.
4
25. März 2010
Donnerstag, 09.05 Uhr
Wie fast jeden Tag fuhr Ben Corey in seinem teuren Range Rover Autobiography, Modell 2010 von seinem Haus in Englewood Cliffs, New Jersey zur Arbeit in die City. Trotz des üblichen starken Verkehrsaufkommens genoss er die Fahrt, besonders über die George-Washington-Brücke. Er achtete immer sehr darauf, die Fahrbahn ganz rechts außen auf der oberen Straße zu nehmen, damit er den wunderbaren Anblick der Skyline von Manhattan und der ganzen Breite des Hudson voll auskosten konnte. Es machte ihm auch nichts aus, wenn der Verkehr mal wieder ganz zum Erliegen kam, denn dann konnte er die Aussicht noch länger genießen. Um dieses Gefühl noch zu verstärken, fütterte er seinen CD-Spieler mit klassischer Musik. Dies waren die einzigen Augenblicke des Tages, in denen er es sich gönnte, allein zu sein, und in denen er sogar sein Handy ausschaltete.
Auch an diesem besonderen Tag hatte die Fahrt ihren Sinn erfüllt. Als er in die Parkgarage westlich der 57. Straße fuhr, fühlte er sich ausgeruht und fröhlich und war wundervoll unwissend über die Ereignisse des letzten Abends.
Bens Weg führte ihn nicht einmal einen Block weit zu dem Gebäude, in dem iPS USA im achten Stockwerk Büros gemietet hatte, durch die man auf die Fifth Avenue hinunterblickte. Es war ein warmer Tag, um die fünfzehn Grad Celsius, die Sonne schien – alles schien in scharfem Kontrast zu dem
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