Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
den alltäglichen bis zu den konzeptionellen. Ben vertraute ihm bedingungslos und verließ sich zu hundert Prozent auf ihn.
»Komm rein, setz dich und schau dir das an!«, sagte Ben und reichte den Artikel an Carl weiter.
Ben beobachtete seinen Finanzchef beim Lesen und sah, wie sich dessen Gesicht in immer tiefere Falten legte. Als er fertig gelesen hatte, knallte er das Magazin mit einem frustrierten Ausdruck auf Bens Tischplatte und hob den Kopf, um Ben anzusehen. »Ich muss mir mal was von der Seele reden. So eine Art Beichte.«
»Wovon zum Teufel sprichst du?«, fragte Ben, während er innerlich befürchtete, aus heiterem Himmel von einem größeren finanziellen Problem zu erfahren, und das gerade in Zeiten, die versprachen, rosig zu werden.
»Ich hätte es dir schon vor ein, zwei Jahren sagen sollen«, sagte Carl so zerknirscht, dass Bens Ängste wie ein Wirbelsturm in ihm wühlten.
Was kommt jetzt? Ben versuchte, sich aufs Schlimmste vorzubereiten, wie zum Beispiel, dass dem Unternehmen das Geld ausgegangen war aufgrund von Unterschlagung oder ähnlicher Desaster. Er hatte darauf vertraut, dass die Vertragsunterzeichnung vom Vortag dem Unternehmen eine solide finanzielle Situation bescherte, besonders, da sie ihren Marktwert eindeutig steigern würde.
»Ich hasse es, es zugeben zu müssen, aber ich verstehe einfach nicht genug von Stammzellen«, sagte Carl schuldbewusst. »Bis zu einem gewissen Punkt komm ich mit, aber wenn du mir etwas rein Technisches wie dies da gibst, übersteigt das mein Verständnis. Es tut mir wirklich leid! Als Finanzchef des Unternehmens sollte ich mich damit wirklich besser auskennen, aber es ist nun mal so, dass ich besser für Finanzen als für die Wissenschaft geeignet bin. Du erinnerst dich ja sicher, dass du mich aus der Finanzwelt abgeworben hast, nicht aus der biotechnischen.«
Einen Moment lang war Ben vor Erleichterung und Überraschung so perplex, dass er schwieg. Als Biomolekularwissenschaftler war er so vertraut mit dem Thema, dass er kaum glauben konnte, dass nicht jeder Mensch über dasselbe Wissen auf diesem Gebiet verfügte wie er. Im Handumdrehen wandelten sich Erleichterung und Überraschung in pure Heiterkeit, und Ben brach in Gelächter aus, wodurch er nun seinerseits Carl verwirrte. »Was gibt’s denn dabei zu lachen?«, fragte er verblüfft. Er hatte erwartet, dass Ben gereizt reagieren würde, nicht erheitert.
»Ich kann nicht anders«, musste Ben zugeben. »Du hast mir immer das Gefühl gegeben, dass du von der Sache genauso viel verstehen würdest wie jeder andere hier. Teufel auch, ich habe dich in vielen Dingen nach deiner Meinung gefragt und hatte immer den Eindruck, du würdest mir einen soliden Ratschlag erteilen. Wie hast du das geschafft?«
»Meistens ist es dabei um Fragen finanzieller Art gegangen und ob ein Unternehmen mit Stammzellen oder Orangen zu tun hat, ist dafür unerheblich – der Ratschlag wird ähnlich ausfallen. Bei Anliegen außerhalb der Finanzarena habe ich dich meistens an Brad, Marcus oder Lesley verwiesen. Das hat sich in jedem Fall immer als guter Rat erwiesen. Im Laufe der Zeit habe ich versucht, mir immer mehr Wissen anzueignen – aber das ist ein so weites Feld.«
»Wie wär’s mit einer kurzen Auffrischung?«, fragte Ben.
»Das wäre mir sehr willkommen.«
»Okay«, sagte Ben und überlegte, wie er anfangen sollte. »Alles begann in den 1960er Jahren, als kanadische Wissenschaftler die ersten Stammzellen in Mäuseblut fanden. Dies waren eher primitive Zellen, die sich teilen und vermehren konnten, allerdings wurde die Hälfte von ihnen zu unterschiedlichen Blutzellen, und die andere Hälfte hatte sich einfach selbst erneuert. Dann gab es ungefähr 35 Jahre lang nichts Neues, bis es einem Wissenschaftler in Wisconsin gelang, ähnliche, aber menschliche Stammzellen aus einem Embryo im frühen Entwicklungsstadium zu isolieren und diese außerhalb des Körpers in Petrischalen zum Wachsen zu bringen. Dieser Prozess wird in vitro genannt. Gleichzeitig sind andere Wissenschaftler auf eine Methode gestoßen, wie man diese Stammzellen in alle möglichen Körperzellen verwandelt, wie zum Beispiel Herzzellen, Nierenzellen und andere, was greifbare Möglichkeiten eröffnete, menschliche Ersatzzellen und -teile zu erzeugen und so degenerative Krankheiten zu heilen.
Natürlich kam es dann auch gleich zum Desaster, als Embryos, die ursprünglich für die in vitro-Befruchtung vorgesehen waren, für die Entnahme von Stammzellen
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