Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
die besonderen Herausforderungen einzuschätzen gelernt hatte. Aber jetzt fühlte sich Louie verloren. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er mit der Situation und Hideki Shimoda verfahren sollte und besonders mit Vinnie Dominick, Paulies altem Erzrivalen. Es war ein Balanceakt an einem Krater mit glühender Lava. Ein falscher Schritt und alle könnten hineinfallen.
Louie nahm ein Papiertuch und einen Desinfizierer, um den Griff des Telefons, der noch warm war vom Vorbenutzer, zu reinigen. Paulie war noch nicht im Zimmer. Louies Plan war einfach: Paulie die Einzelheiten erzählen, seine Antwort abwarten und dann schleunigst von hier abzuhauen. Rikers Island war zwar die größte und bestbelegte Strafanstalt der Welt, war aber gleichzeitig auch berüchtigt für ihren heruntergekommenen Zustand. Louie lief es eiskalt den Rücken hinunter, als er sich vorstellte, hier die Nacht verbringen zu müssen, geschweige denn mehr als zehn Jahre.
Er sah nach rechts, wo eine lange Reihe anderer Besucher saß. Die meisten waren Frauen, die mit ihren Ehemännern sprachen. Viele von ihnen sahen aus, als ob sie noch nicht einmal so gerade über die Runden kommen würden, obwohl manche sich bemüht hatten, sich schick zu machen. Auf beiden Seiten der Glasscheibe standen Wärter mit glasigen Augen und gelangweiltem Gesichtsausdruck. Louie blickte auf seine Uhr. Ein Uhr war durch, und er wollte bereits gehen. Er gab sich selbst das Versprechen, niemals wieder hierherzukommen.
In dem Moment sah er Paulie und stockte. Als er Paulie das letzte Mal gesehen hatte, hatte er wie immer ausgesehen, abgesehen von den Narben in seinem Gesicht, die er bekommen hatte, nachdem jemand ungefähr ein Jahr, bevor er ins Gefängnis gekommen war, ihn mit Säure beworfen hatte. Er war immer schon ein schwerer Mann gewesen, der sich nicht um sein Äußeres geschert hatte. Jetzt war er vergleichsweise hager, so dass seine Gefängniskleidung an ihm herunterhing wie ein übergroßes Hemd an einem Metallbügel.
Als Paulie sich auf der anderen Seite der Glasscheibe setzte, musste Louie kurz wegschauen. Er hatte ganz vergessen, dass Paulie eine beidseitige Hornhauttransplantation hinter sich hatte, nach der der gesunde Teil des Auges gegenüber dem vernarbten Teil unglaublich hervorstach.
Louie brachte sich selbst unter Kontrolle, hob seinen Blick auf Paulies Augenhöhe, obwohl es ihm so schien, als ob er in zwei Gewehrläufe blickte. Nach ein wenig Plauderei sagte Louie: »Paulie, du siehst verändert aus, als ob du an Gewicht verloren hättest.«
»Ich bin verändert«, stimmte ihm Paulie wehmutsvoll, vielleicht sogar geheimnisvoll, zu. »Ich habe zu Gott gefunden.«
Meine Güte, dachte Louie, sagte es aber nicht. Er beklagte die Mühe, die er sich gemacht hatte, die ganze Strecke nach Rikers Island zu kommen, um einen Rat bezüglich eines schwierigen Unterweltproblems zu erbitten, jetzt, da Paulie Gott entdeckt hatte. Das machte die ganze Situation so absurd, dass Louie versucht war, einfach zu verschwinden, als Paulie sich neu konzentrierte und sagte: »Ich weiß, dass du wahrscheinlich hier bist, um meinen Rat zu einem Problem zu hören, aber lass mich vorher eine Frage stellen. Wie hat es dieser Bastard Vinnie Dominick geschafft, sich vergangenes Jahr aus all den Anklagepunkten herauszuwinden? Ich war mir ganz sicher, dass er hier mit mir landen würde. Niemand hat mir irgendetwas erzählt.«
Diese Frage überraschte Louie. Vielleicht war Paulie doch nicht ganz so überwältigt von seiner neugefundenen Gläubigkeit. Vielleicht könnte er immer noch einen guten Ratschlag geben.
»Komisch, dass du danach fragst, weil nämlich ich das Problem für Vinnie Dominick und alle anderen war, die davongekommen waren, und das bezieht sich darauf, wie sie in flagranti erwischt wurden.«
»Ich kann dir nicht folgen«, gab Paulie interessiert zu.
»Ich hatte herausgefunden, dass Vinnie eine Jacht unterhielt, auf der geschäftliche Vergnügungen stattfanden. Also haben meine Jungs ein GPS an dem Schiff angebracht. Als ich genau wusste, dass Vinnie und seine Gesellschaft Übles im Sinn hatten, gab ich Lou Soldano das Passwort und den Benutzernamen, damit er sie schnappen konnte, was er auch getan hat.«
»Lou!«, rief Paulie. »Wie geht’s dem alten Bastard?«
»So gut, wie’s einem Bastard eben gehen kann. Warum fragst du?«
»Wir haben uns so oft gegenseitig die Schädel eingeschlagen, dass wir irgendwie Freunde geworden sind. Er schreibt meiner Frau und
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