Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
lebte er in Todesangst und hatte Grund zu glauben, er würde getötet werden. Es war so schlimm, dass er insgeheim schon Pläne schmiedete, wie er untertauchen konnte. Zu der Zeit war er der Placement Agent für Angels Healthcare LLC, die an die Börse gingen, ohne enthüllt zu haben, dass sie insolvent waren. An dem besagten Tag suchte er Vinnie Dominick mit der wenig beneidenswerten Aufgabe auf, Vinnie mitteilen zu müssen, wie die Dinge tatsächlich standen. Das Problem bestand darin, dass Michael Vinnie davon überzeugt hatte, eine Menge Mafiageld in das Unternehmen zu investieren, mehr als fünfzehn Millionen Dollar.
Allein die Erinnerung an diesen Tag schickte Michael einen kalten Schauer den Rücken hinunter, trotz der Wendung, die die Angelegenheit später nahm. Angels Healthcare hatte, wie Michael auch anfangs angenommen hatte, einen sensationellen Börsengang hingelegt und war jetzt ein blühendes Unternehmen, das Vinnie und der Lucia-Organisation Hunderte von Millionen von Dollars bescherte und Michael selbst auch einige Millionen. Anstatt als Lakai angesehen zu werden, galt Michael nun als Genie und einer der Lieblingssöhne der Nachbarschaft des Rego Parks in Queens, wo er und Vinnie zusammen aufgewachsen waren.
Er stand an der Corona Avenue und wartete darauf, die vierspurige Straße mit ihrem dichten Verkehr überqueren zu können. Als sich eine kleine Lücke auftat, sauste Michael hinüber, auf der anderen Seite drosselte er sein Tempo. Dieses Mal kam Michael als willkommener Gast. Nach Bens Besuch am Morgen hatte Michael bei Vinnie Dominick angerufen und ihn um einen Mittagessentermin für sich und Saboru Fukuda gebeten mit dem Hinweis, er hätte gute Neuigkeiten über iPS USA.
Während Michael auf das Restaurant zuging, musste er lächeln. Abgesehen von dem Namen Neapolitan war es so eindeutig amerikanisch-italienisch, dass es fast schon ein Witz war. In der aussichtslosen Hoffnung, eleganter zu wirken, als es war, war die Fassade mit künstlichen Mauersteinen verkleidet worden, die auf Glasfasermatten montiert waren und die nicht einmal annähernd echt aussahen. Unter den Fenstern hingen falsche Pflanzkästen, in denen saisonal überholte Plastikblumen steckten. Kundschaft war nicht zu sehen, da das Restaurant mittags nicht für die Öffentlichkeit geöffnet hatte. Mittagessen gab es nur für Vinnie, seine ergebenen Günstlinge und seine Gäste. Der Besitzer verlor nicht viel dadurch, dass er nur abends geöffnet hatte, denn dann brummte der Betrieb. Das Restaurant wurde seit Jahrzehnten mit der Unterwelt in Verbindung gebracht, besonders in den Dreißiger Jahren während der Prohibition, was ihm eine geheimnisvolle Anziehungskraft verlieh.
Drinnen schob Michael den Vorhang im Eingang zurück und blieb stehen, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Links sah er eine neue Bar in U-Form, an der Gläser von einer Schiene, die an der Decke über der Bar angebracht war, verkehrt herum herabhingen. Nach hinten hin waren einige Bistrotische gruppiert, direkt daneben war ein künstlicher Kamin, dessen Feuer von einer Drehwalze, die mit zerknitterter Aluminiumfolie umhüllt war, dargestellt wurde. Das Holz war aus Beton gefertigt. Die Flammenfarbe des Feuers stammte von einer roten Glühbirne, die hinter einem der Holzscheite versteckt war. Über dem Kamin hing ein großes, dunkles Gemälde mit goldenem Rahmen, das die Jungfrau Maria, in deren Armen das Jesuskind lag, zeigte.
Auf der gegenüberliegenden Seite waren die Sitznischen, bis hinein in die Tiefen des Restaurants. Die ersten zwei waren besetzt, eine von Vinnies engen Vertrauten, von denen Michael einige als ehemalige Schulkameraden wiedererkannte. Da saß zum Beispiel Richie Herns, der den Job als Chefvollstrecker von Franco Ponti übernommen hatte. Franco saß zusammen mit Angelo Facciolo im Gefängnis. Vor diesen beiden hatte Michael immer schon Angst gehabt. Freddie Capuso, der früher den Klassenclown gespielt hatte, war auch da. Außerdem waren noch drei andere physisch beeindruckende Männer anwesend, die Michael nicht kannte.
Vinnie Dominick saß am nächsten Tisch. Er bemerkte Michael und winkte ihn zu sich. An seiner Seite saß seine Freundin Carol Cirone, die jeden Tag mit Vinnie zu Mittag aß, außer sonntags, wenn er bei seiner Frau und seiner Familie blieb. Neben Carol saß Saboru Fukuda, ein schmächtiger, eleganter Mann in einem hervorragend geschneiderten Anzug. Auf Michael wirkte er eher wie ein
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