Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
der Freund, vielleicht als das Opfer auf seiner letzten Reise war?«
»Darauf würde ich tippen, aber es könnte schwer werden, das zu beweisen. Eine Möglichkeit wäre es, die Fingerabdrücke des Mannes irgendwo im Innern des Haartrockners zu finden, darum trage ich gerade Handschuhe. Wessen Abdrücke hier drin sind, hat sich eines Mordes schuldig gemacht!«
»Echt gut gemacht«, wiederholte Laurie sehnsüchtig. Das war genau die Art Fall, zu der sie gerne zurückgekehrt wäre. Zum einen waren hier Erfahrung, Wissen und eine gewisse Kreativität gefragt, um alle Teile zusammenzufügen. Zum anderen erhielt man dadurch das befriedigende Gefühl, dass die eigene Leistung dazu führen konnte, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird.
»Was meinst du, wie lange du brauchst, um den Bericht über den Haartrockner zu schreiben?«
»Ungefähr eine halbe Stunde.«
»Gut. Sobald du fertig bist, kommst du in mein Büro, und wir machen uns auf den Weg nach Hause.«
»Ist alles gut gegangen mit Leticia und JJ?«
»Anscheinend bin ich nicht so unentbehrlich, wie ich dachte. Alles ist glatt verlaufen. Leticia hat mir sogar gesagt, ich soll nicht so oft anrufen.«
»Mit so vielen Worten?«
»Mit so vielen Worten.«
»Ich muss sagen, so eine Bemerkung scheint mir ein wenig unangemessen.«
»Ich geb dir absolut recht!«
»Ich komm in dreißig Minuten zu dir.«
Im stillen Flur des dritten Stockwerks griff Laurie nach ihrem Handy. Jacks Kommentar hatte sie gestärkt, und sie wählte Leticias Nummer. Sie winkte Calvin Washington zu, als sie am Büro des Stellvertretenden Leiters vorüberkam, aber der war zu beschäftigt, um sie zu bemerken. Leticia hatte noch immer nicht abgenommen, als sie beinahe bei ihrem Büro angekommen war. Sie ging hinein und fing an, das Klingeln zu zählen. Nachdem sie ihre Tasche und die beiden DVDs abgelegt hatte, war sie bereits bei zehn angelangt. Als sie ihren Mantel abgelegt hatte, bei fünfzehn. Schließlich kam nach dem siebzehnten Klingeln die Antwort. Zu diesem Zeitpunkt war Lauries Puls auf ungefähr einhundertundfünfzig gestiegen.
»Hallo«, sagte Leticia ruhig, mit einem Hauch von Langeweile.
»Ist alles in Ordnung?«, platzte es aus Laurie heraus, obwohl sie schon durch Leticias gezwungene Ruhe davon überzeugt war.
»Uns geht’s wirklich gut«, antwortete Leticia.
»Es hat so oft geklingelt …«
»Naja, wir hatten uns gerade ein nettes Bad gegönnt nach einer ganz besonders schmutzigen Windel.«
Wieder einmal war Laurie ihre Überreaktion peinlich. »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass wir in ungefähr einer Stunde zu Hause sind.«
»Wir werden hier sein.«
»Wie sieht’s mit Abendessen aus?«
»Das ist der nächste Punkt auf der Tagesordnung.«
»Sagen Sie dem kleinen Kerl, dass wir ihn vermissen.«
»Ich lass es ihn wissen«, sagte Leticia apathisch.
Laurie legte mit gemischten Gefühlen auf. Es war deutlich, dass Leticia über ihren Anruf verärgert gewesen war, aber so ging es Laurie auch wegen Leticias Unfähigkeit, ihr an diesem ersten Tag mit Nachsicht zu begegnen. Laurie gestand sich ein, dass ein Dutzend Anrufe für einen Tag zu viel waren, besonders, da keine Probleme aufgetaucht waren, die diese Häufigkeit rechtfertigten. Gleichzeitig führte Laurie sich vor Augen, dass auch sie Leticia mehr Nachsicht zubilligen musste, denn diese vielen Anrufe konnten einen von der Fürsorge ablenken, die ein anderthalbjähriges Kind erforderte.
Laurie nahm an ihrem Schreibtisch Platz und ging den Laborbericht durch, von dem Jack vorhin gesprochen hatte. Er zeigte einen Blutalkoholspiegel an, der bei 0,03 Prozent lag, was bedeutete, dass er weit unter dem gesetzlich erlaubten Wert lag, aber auch nicht bei Null, so dass sie davon ausgehen konnte, dass der Mann innerhalb der letzten Stunden vor seinem Tod ein oder zwei alkoholische Getränke konsumiert hatte. Das hatte allerdings bestimmt nichts mit seinem Ableben zu tun, davon war Laurie überzeugt.
Sie legte dieses Untersuchungsergebnis zur Akte, als sie einen weißen Umschlag auf ihrer Tastatur bemerkte, auf dem ihr vollständiger Name stand: Dr. Laurie Montgomery-Stapleton. Oben drauf klebte ein Post-it, auf den Marlene geschrieben hatte, dass der Umschlag im Foyer gefunden worden war, anscheinend war er unter der Tür hindurchgeschoben worden. Laurie zog das einzelne Blatt, das der Umschlag enthielt, heraus, faltete es auseinander und sah, dass es sich um eine getippte Nachricht handelte, die sie einfach mit
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