Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
hatte.«
»Wovon sprichst du da?«
»Er hat mich vor ein paar Tagen gefragt, wo man in Washington, D.C., absteigen könnte. Er sagte, er würde gerne mit seiner Familie dort hinfahren.«
»Verdammt«, stöhnte Ben und schüttelte den Kopf.
»Was ist denn?«
»So etwas hat er mir schon einmal angetan. Er verschwand eine Woche lang mit seiner Familie zu den Niagara-Fällen.«
»Weißt du, das kannst du ihm nicht übel nehmen. Zum ersten Mal in seinem Leben ist er endlich frei.«
»Ja, echt klasse!«, sagte Ben sarkastisch. »Jetzt muss ich mir um ihn Sorgen machen wie um einen eigensinnigen Sohn.«
»Immer positiv denken! Vielleicht ist er ja morgen wieder zurück.«
»Das wäre sehr schön. Aber warum habe ich das Gefühl, dass das nicht so sein wird?«
15
25. März 2010
Donnerstag, 18.22 Uhr
Das gelbe Taxi, in dem Laurie und Jack in schnittigem Tempo nach Hause fuhren, schien brandneu zu sein. Laurie ertappte sich, wie sie still die Straßennummern abzählte, während sie auf Central Park West in nördlicher Richtung unterwegs waren. Sie passierten das Naturkundemuseum, dann die 86. Straße, und Lauries Aufregung tat einen neuerlichen Sprung. Sie konnte fühlen, wie ihr Puls sich beschleunigte, so aufgeregt war sie. Neben ihr erzählte Jack haarklein, wie er und Lou während der Autopsie die Beweise für das Schusswundenopfer gefunden hatten, aber sie konnte sich nicht auf das konzentrieren, was er sagte, weil sie sich so sehr auf JJ freute. Sie ließ Jack einfach weiterreden, da es ihm nichts auszumachen schien, dass sie ihm bereits seit mindestens einer Meile kein Feedback mehr gegeben hatte.
»Welche Hausnummer nochmal auf der 106.?«, fragte der Taxifahrer.
Laurie platzte mit der Nummer heraus, wobei sie Jack mitten im Satz unterbrach.
»Hörst du mir eigentlich zu?«, fragte Jack Laurie, die sich vorbeugte, um durch die Kunststoffabtrennung und die Frontscheibe zu sehen, während ihre Straße rasch näher kam. Erst als der Fahrer links abgebogen war, lehnte sie sich wieder zurück.
»Hast du mir gerade zugehört?«, fragte Jack.
»Nein«, gab Laurie zu. Links lag der kleine Spielplatz, den Jack vor zehn Jahren hatte instandsetzen lassen. Er hatte eine Beleuchtung für den Basketballplatz installieren lassen, wo gerade ein Spiel ausgetragen wurde. Er hatte auch den Abschnitt für Kinder in Ordnung bringen lassen, hatte für Rutschen, Schaukeln und einen großen Sandkasten gesorgt.
»Ich habe dich gefragt, ob du mir überhaupt zuhörst!«
»Soll ich lügen oder die Wahrheit sagen?«
»Lüg lieber, und erspar mir so die Verletzung meiner Gefühle.«
»Zahlst du das Taxi?«, fragte Laurie, als der Wagen vor ihrem renovierten Haus, das aus Sandstein gebaut war, an den Bordstein fuhr. Bevor die Reifen zum Stillstand gekommen waren, hatte Laurie die Tür bereits geöffnet. Ihre Tasche in der Hand, schoss sie die Stufen hoch, und hinein ging sie. Ohne auch nur den Mantel auszuziehen, raste sie hoch zur Küche im oberen Stockwerk.
Leticia hatte das Öffnen der Haustür gehört, JJ auf den Arm genommen und traf mit Laurie zusammen, als diese gerade am Treppenabsatz ankam. Leticia war eine attraktive, sportliche afroamerikanische Frau Mitte Zwanzig mit einer weichen Wolke dunklen Haars. Fast ständig trug sie die Andeutung eines trockenen Lächelns. Als Cousine von Warren, Jacks Basketballkumpel, zeigte auch sie das Familienmerkmal – einen wohlgeformten Körper –, den sie durch das Tragen von engen Jeans und figurbetonten Oberteilen bemerkenswert zur Geltung brachte. Sie war sich nicht sicher, ob sie nach Beendigung des Colleges weiterstudieren sollte, so dass Warren ihr vorgeschlagen hatte, erstmal als Kinderfrau bei Jack und Laurie zu arbeiten.
»Hallo, kleiner Mann«, gurrte Laurie und streckte die Arme nach ihrem Kind aus. Aber ihre Überschwänglichkeit erschreckte JJ, der Zuflucht bei Leticia suchte und sich an sie krallte. Er schrie, als Laurie und Leticia seine kleinen Finger von Leticias Nacken lösten.
Fast augenblicklich erkannte JJ seine Mutter und beruhigte sich, aber der Schaden war angerichtet: Laurie fühlte sich zurückgewiesen, zumindest für die nächsten Minuten, bis ihre Vernunft Oberhand gewann. Dann fühlte Laurie sich eher beschämt denn abgewiesen.
Als Jack die Treppe hochlief, lachten die Frauen über den Vorfall. Er hörte zu, wie Leticia sich für ihre abweisende Art bei Lauries Anrufen entschuldigte. »Jedes Mal, wenn Sie anriefen, geschah das zu dem denkbar
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