Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
Tag ohne deine Hilfe auskommen. Wir müssen die Autopsie an dem Schwimmer sofort machen, damit Captain Soldano ins Bett kann.«
Vinnie versteckte sich weiter hinter seiner Zeitung und presste die Zähne aufeinander, als er Lauries Bitte um Unterstützung hörte. Er war so ein Feigling! Anstatt den Mut zu fassen und über sein verstörendes Treffen mit den Vaccarro-Schergen zu berichten, hatte er sich ihren Befehlen gefügt und den Drohbrief geschrieben. Um einer Entdeckung zu entgehen, hatte er den Brief auf dem PC eines anderen Angestellten des Leichenschauhauses geschrieben, ihn dann auf einen USB-Stick kopiert und die Datei von der Festplatte gelöscht. Ausgedruckt hatte er ihn in einem nahe gelegenen Kinko’s Copy-Shop. Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte er Latexhandschuhe getragen, um keine Fingerabdrücke auf dem Papier oder dem Umschlag zu hinterlassen. Zurück beim OCME, immer noch mit den Handschuhen bekleidet, schaffte er es, weder von der Empfangsdame oder jemand anderem gesehen zu werden, und schob den Umschlag unter der Doppeltür hindurch ins Foyer. Um ins Gebäude zu gelangen, war er um die Ecke gerannt und ging über eine der Laderampen, an denen die Leichen angeliefert wurden, hinein.
»Vinnie!«, hörte er Laurie ihn nochmal rufen, jetzt aber aus kürzerer Entfernung. Langsam ließ er seine Zeitung sinken. Laurie stand genau vor ihm. »Hast du mich nicht gehört?«, fragte sie leicht gereizt.
Vinnie schüttelte den Kopf.
Laurie wiederholte, was sie über den Schwimmer gesagt hatte.
Resigniert stand Vinnie auf und schleuderte seine Zeitung auf den Stuhl hinter sich.
»Nimm Captain Soldano mit nach unten und staffiere ihn aus. Dann hole den Schwimmer. Ich renn schnell hoch in mein Büro, bin aber gleich bei euch. Verstanden?«
Vinnie nickte und kam sich wie ein Verräter vor. Er konnte Laurie nicht in die Augen blicken. Das Problem war, dass er zu viel über die Vaccarro-Familie wusste. Daher hatte er es ihnen zugetraut, als sie drohten, sie würden zu ihm nach Hause fahren und seine Mädchen beobachten, wie sie aus der Schule kamen. Er war zwischen zwei Übeln gefangen.
Auf dem Weg in die Leichenschauhalle sah er zu Lou hinüber und fragte sich, was der Detective wohl denken mochte. Als Vinnie das letzte Mal dazu gezwungen war, eine Gefälligkeit für Paulie Cerino zu erledigen, war es Detective Soldano gewesen, der ihm auf die Schliche gekommen war. Dieser Umstand ließ in Vinnie die Angst aufkeimen, dass er der Hauptverdächtige sein würde, sollte Laurie die Drohung missachten und den Brief den Behörden, in diesem Fall: Harold Bingham, übergeben. Und in Vinnie manifestierte sich der Verdacht, dass Laurie genau das tun würde. Alles, worauf Vinnie hoffen konnte, war, dass vermutet wurde, dass der Drohbrief von außerhalb des OCME geschickt worden war und nicht aus den eigenen Reihen kam.
In ihrem Büro angekommen, schloss Laurie die Tür, stellte ihren Computer an und hängte ihren Mantel auf. Dann wechselte sie rasch in die grüne OP-Kleidung und zog darüber einen Tyvek-Anzug an. Sobald der Computer bereit war, ging sie ins Internet und suchte den Artikel über den ermordeten Yakuza, an den sie sich erinnert hatte. Sie wollte den Autopsiebericht durchsehen und las ihn in rasantem Tempo. Als sie damit fertig war, verließ sie ihr Büro wieder und machte sich auf den Weg in die Grube.
Lou war durch die Autopsien, an denen er teilgenommen hatte, an die Atmosphäre in der Leichenbeschauung gewöhnt. Deshalb hatte er Vinnie angeboten, ihm dabei zu helfen, den Körper aus dem Kühlfach zu nehmen und ihn auf den Autopsietisch zu verfrachten. Als Laurie im Keller angekommen war und den Autopsieraum betrat, hatten Vinnie und Lou alles so weit vorbereitet, dass sie sofort anfangen konnte.
»Dies sind die eindrucksvollsten Tattoos, die ich jemals gesehen habe«, musste Laurie zugeben. Vom Hals bis zu den Handgelenken bis zu den Knöcheln war der ganze Körper übersät mit ineinander verwobenen Tätowierungen in allen Farben des Regenbogens. »Das Problem ist, dass sie die äußerliche Untersuchung erschweren. Aber wir können schon mal davon ausgehen, dass er zu einer Yakuza-Familie gehörte.«
»Wirklich?«, fragte Lou. »Du meinst, wegen der Tätowierungen?«
»Nicht nur«, antwortete Laurie. Sie hob die linke Hand des Opfers hoch. »Das letzte Glied seines linken kleinen Fingers fehlt – eine typische, selbst beigebrachte Verwundung bei den Yakuza. Um einem Bandenführer gegenüber
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