Montgomery u Stapleton 01 - Blind
schließlich zivilisierte Leute."
"Ich verstehe", sagte Mrs. Schulman.
"Also gehen wir", sagte Angelo und öffnete die Wagentür.
"Hallo, Miss Montgomery", sagte George. George war einer der Portiers im Wohnhaus von Lauries Eltern. Er war schon seit Jahrzehnten da. Er sah aus wie sechzig, war aber schon zweiundsiebzig. Er erzählte Laurie immer wieder, daß er es gewesen war, der die Tür vom Taxi an dem Tag aufgehalten hatte, als ihre Mutter ein paar Tage nach Lauries Geburt mit ihr vom Krankenhaus nach Hause gekommen war.
Nach ein paar Worten mit George ging Laurie nach oben in die Wohnung ihrer Eltern. So viele Erinnerungen! Selbst der Geruch war ihr vertraut. Aber am stärksten erinnerte die Wohnung sie an jenen schrecklichen Tag, an dem sie ihren Bruder gefunden hatte. Fast hätte sie gewünscht, daß ihre Eltern nach dem tragischen Ereignis umgezogen wären, damit sie nicht immer wieder an den Drogentod ihres Bruders erinnert wurde.
"Hallo, Liebe!" begrüßte ihre Mutter sie im Foyer. Dorothy Montgomery beugte sich vor und hielt ihrer Tochter die Wange hin. Sie duftete nach teurem Parfüm. Ihr silbergraues Haar war kurz geschnitten, so wie man es seit einiger Zeit auf den Titelseiten der Modezeitschriften sah.
Dorothy war eine zierliche, energische Frau Mitte Sechzig, die dank einem zweiten Facelifting jünger aussah.
Als Dorothy Lauries Mantel nahm, musterte sie die Kleidung ihrer Tochter mit kritischen Blicken. "Wie ich sehe, hast du nicht das Wollkleid angezogen, das ich dir gekauft habe."
"Nein, Mutter, das habe ich nicht", sagte Laurie. Sie schloß die Augen und hoffte, ihre Mutter würde nicht schon gleich an ihr herummäkeln.
"Du hättest wenigstens ein Kleid anziehen können."
Laurie verkniff sich eine Antwort. Sie hatte sich für eine Jaquardbluse, Modeschmuck und eine Wollhose entschieden, die sie per Katalog bestellt hatte. Noch vor einer Stunde hatte sie dies für eine ihrer besten Kombinationen gehalten. Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher.
"Egal", sagte Dorothy, nachdem sie Lauries Mantel aufgehängt hatte. "Komm, ich möchte, daß du alle begrüßt, vor allem Dr. Scheffield, unseren Ehrengast."
Dorothy führte Laurie in das große, konventionell eingerichtete Wohnzimmer, einen Raum, der ausschließlich gesellschaftlichen Anlässen vorbehalten war. Es waren acht Personen anwesend, die alle in der einen Hand ein Glas und in der anderen einen Cocktailhappen balancierten. Laurie kannte die meisten Gäste, vier Ehepaare, die seit Jahren mit ihren Eltern befreundet waren. Drei der Männer waren Ärzte, der vierte war ein Banker. Die Frauen waren, wie ihre Mutter, keine Karrierefrauen. Sie widmeten ihre Zeit wohltätigen Zwecken, genau wie ihre Mutter.
Nach einigem Small talk zog Dorothy Laurie durch die Diele zur Bibliothek, wo Sheldon Montgomery Jordan Scheffield ein paar seltene medizinische Bücher zeigte.
"Sheldon, mach deine Tochter mit Dr. Scheffield bekannt."
Dorothy unterbrach ihren Mann mitten im Satz.
Die beiden Männer sahen von einem Buch in Sheldons Hand auf. Lauries Blick wanderte vom strengen, aristokratischen Gesicht ihres Vaters zu Jordan Scheffield. Sie war angenehm überrascht. Sie hatte erwartet, daß Jordan eher so aussehen würde, wie sie sich einen Augenarzt vorstellte: älter, feister, spießig und längst nicht so attraktiv. Doch der Mann, der vor ihr stand, sah sehr gut aus, hatte rötlichblondes Haar, sonnengebräunte Haut, lebhafte blaue Augen und ein markantes Gesicht. Nicht nur sah er nicht wie ein Augenarzt aus, er sah überhaupt nicht wie ein Arzt aus, eher wie ein Berufssportler. Er war noch größer als ihr Vater mit seinen einsachtundachtzig. Und statt eines Glencheckanzugs, wie ihn ihr Vater trug, hatte er eine gelbbraune Hose, einen blauen Blazer und ein weißes Hemd an, das am Hals offen war. Er trug nicht einmal eine Krawatte.
. Laurie reichte Scheffield die Hand, als ihr Vater sie vorstellte. Sein Händedruck war kraftvoll und sicher. Er blickte ihr direkt in die Augen und lächelte einnehmend.
Daß ihr Vater Jordan mochte, wurde Laurie augenblicklich klar, als er ihm auf den Rücken klopfte und darauf bestand, ihm noch etwas von dem Scotch einzuschenken, den er normalerweise versteckte, wenn Besuch kam. Sheldon holte den kostbaren Tropfen und ließ Laurie mit Jordan allein.
"Ihre Eltern sind äußerst gastfreundlich", sagte Jordan.
"Das können sie sein", bestätigte Laurie. "Sie haben gern Gesellschaft. Sie haben sich sicher auf Ihr
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