Montgomery u Stapleton 01 - Blind
wechseln."
"Sie hätten den Kommentar meiner Mutter an dem Tag hören sollen, als ich ihr eröffnete, daß ich in die Gerichtsmedizin gehe. Sie sagte: Was soll ich denn den Leuten sagen, wenn sie fragen, was du machst? Das vermittelt einen recht guten Eindruck über ihre Empfindungen. Und mein Vater, der Herzchirurg par excellence! Er glaubt, daß alles andere als Chirurgie, vor allem als Thoraxchirurgie, etwas für die Schwachen, die Ängstlichen und die Zurückgebliebenen ist."
"Nicht einfach zufriedenzustellen, die beiden. Es muß hart für Sie sein."
"Ehrlich gesagt, ich habe ihnen im Lauf der Jahre schon einigen Kummer bereitet. Ich war ziemlich aufsässig, bin mit wilden Typen ausgegangen, Motorrad gefahren, spät nach Hause gekommen, das übliche. Vielleicht habe ich meine Eltern dazu gebracht, bei allem, was ich tue, auf der Hut zu sein. Sie haben mich nie sonderlich unterstützt. Im Grunde haben sie mich nicht beachtet, vor allem mein Vater nicht."
"Ihr Vater spricht immer sehr lobend von Ihnen", sagte Jordan.
"Praktisch jedesmal, wenn ich ihm im Chirurgenzimmer begegne."
"Das höre ich zum erstenmal", sagte Laurie.
"Noch jemand Cognac?" rief Sheldon. Er stand in der Tür und winkte mit der Flasche.
Jordan sagte nein. Laurie schüttelte den Kopf. Sheldon sagte, sie sollten sich melden, wenn sie ihre Meinung änderten. Dann ging er wieder.
"Genug davon", sagte Laurie. "Das ist ein viel zu ernstes Thema. Ich wollte den Abend nicht ruinieren." Sie bedauerte, Jordan so viel von sich erzählt zu haben. Es war nicht ihre Art, sich einem relativ Fremden anzuvertrauen; ähnlich war es ihr schon bei Lou Soldano passiert. Aber sie hatte sich den ganzen Tag verwundbar gefühlt, seit ihr der Fall Duncan Andrews zugeteilt worden war.
"Sie haben gar nichts ruiniert", versicherte Jordan. Dann sah er auf die Uhr. "Oh", sagte er. "Es ist schon spät, und ich muß morgen früh operieren. Mein erster Patient um halb acht ist ein englischer Baron, Mitglied des Oberhauses."
"Ah ja", sagte Laurie ohne sonderliches Interesse.
"Ich glaube, ich mache für heute Schluß. Ich setze Sie gern zu Hause ab. Das heißt natürlich, wenn Sie schon gehen möchten."
"Ja, das wäre schön", sagte Laurie. "Ich denke schon ans Aufbrechen, seit wir vom Tisch aufgestanden sind."
Nach der angemessenen Verabschiedung, bei der Dorothy bemängelte, daß Lauries Mantel viel zu dünn für den Spätherbst sei, verließen Jordan und Laurie die Party und warteten auf den Aufzug.
"Mütter!" sagte Laurie, als die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte.
Auf der Fahrt nach unten redete Jordan von den bedeutenden Leuten, die am nächsten Tag in seine Praxis kommen würden. Laurie war sich nicht sicher, ob er sie beeindrucken oder lediglich aufmuntern wollte.
Als sie aus dem Gebäude in die kalte Novemberluft traten, wechselte Jordan das Gesprächsthema und kam auf den chirurgischen Aspekt seiner Arbeit zu sprechen. Laurie nickte, als würde sie zuhören. In Wirklichkeit wartete sie darauf, daß Jordan zu erkennen gab, in welcher Richtung er seinen Wagen geparkt hatte. Eine Weile blieben sie direkt vor dem Haus stehen, und Jordan erzählte Laurie, wie viele Operationen er pro Jahr machte.
"Hört sich an, als ob Sie viel zu tun hätten", sagte Laurie.
"Könnte mehr sein", räumte Jordan ein. "Wenn es nach mir ginge, würde ich doppelt so viele Operationen machen wie im Moment. Die Chirurgie macht mir am meisten Spaß, darin bin ich am besten."
"Wo steht Ihr Wagen?" fragte Laurie schließlich. Sie zitterte vor Kälte.
"Oh, Entschuldigung", sagte er. "Gleich hier." Er zeigte auf eine große, schwarze Limousine, die direkt vor dem Haus ihrer Eltern parkte. Wie auf ein Stichwort sprang ein livrierter Fahrer aus dem Wagen und hielt Laurie die hintere Tür auf.
"Das ist Thomas", sagte Jordan.
Laurie nickte dem Mann zu und schlüpfte in den eleganten Wagen. Thomas sah aus, als ob er nebenher noch als Rausschmeißer arbeiten würde; er war stämmig gebaut. Das Innere des Wagen war gediegen luxuriös, mit Telefon, Diktiergerät und Fax.
"Oh", sagte Laurie, als sie all die Geräte bemerkte. "Immer bereit zur Arbeit und zum Vergnügen."
Jordan lächelte. Er war ganz offensichtlich mit seinem Lebensstil zufrieden. "Wohin?" fragte er.
Laurie nannte ihre Adresse in der 19th Street, und sie fuhren los.
"Ich hätte nicht gedacht, daß Sie einen solchen Wagen fahren", sagte Laurie. "Ist das nicht ein bißchen extravagant?"
"Ein bißchen
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