Montgomery u Stapleton 01 - Blind
Kevin, der offenbar ganz wild auf die Geschichte war. Die Pathologen tauschten gern "Kriegserlebnisse" aus, die entweder intellektuell anregend oder grotesk und bizarr waren.
"Es war ein junger Bursche", erzählte Dick. "Umgebracht in einem Bestattungsinstitut mit dem Saugapparat, den man zum Einbalsamieren verwendet."
"Er wurde totgeschlagen?" fragte Kevin. Bis jetzt war er noch nicht beeindruckt.
"Aber nein!" sagte Dick. "Mit dem Trokar wurden ihm wie zur Einbalsamierung die Eingeweide bei lebendigem Leib aus dem Körper gesaugt."
"Oh", sagte Paul, offensichtlich beeindruckt. "Das ist wirklich stark. Das erinnert mich an den Fall von "
"Dr. Montgomery", rief eine Stimme.
Laurie drehte sich um. Dr. Bingham stand vor ihr. "Ich muß leider wieder etwas mit Ihnen besprechen", sagte er.
Unbehagen beschlich Laurie. Sie überlegte, was sie diesmal ausgefressen hatte.
"Dr. DeVries ist zu mir gekommen", begann Bingham. "Er hat sich beklagt, daß Sie bei ihm waren und ihn wegen einiger Testergebnisse gedrängt haben. Ich weiß, daß Sie diese Ergebnisse dringend brauchen, aber Sie sind nicht die einzige, die wartet. Dr. DeVries versinkt im Moment in Arbeit. Das brauche ich Ihnen, glaube ich, nicht zu sagen. Aber erwarten Sie keine Sonderbehandlung. Sie werden warten müssen wie alle anderen auch. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Dr. DeVries nicht mehr belästigen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?"
Bingham drehte sich abrupt um und ging. Bevor Laurie eine Chance hatte, sich zu diesem dritten Tadel in vier Tagen zu äußern, eröffnete Bingham die Sitzung.
Er gab zu Beginn der Konferenz wie üblich eine Zusammenfassung der statistischen Zahlen der letzten Woche. Dann berichtete er kurz über den Stand im Mordfall Central Park, da er in den Medien soviel Beachtung gefunden hatte. Er entkräftete noch einmal die Vorwürfe der Medien, das Institut habe sich in dem Fall schwere Versäumnisse zuschulden kommen lassen. Er schloß mit dem Rat an alle, sich mit persönlichen Meinungsäußerungen zurückzuhalten. Laurie war sicher, daß diese letzte Bemerkung ihr galt.
Nach Binghams Rede sprach Calvin über Verwaltungsfragen, insbesondere darüber, wie sich die Kürzung der Mittel durch die Stadt auf die Arbeit des Instituts auswirkte. Alle zwei Wochen wurde irgendeine Leistung oder Lieferung gekürzt oder abgeschafft.
Nach Calvins Ausführungen gaben die Institutsleiter von Queens, Brooklyn und Staten Island kurze Berichte. Einige der Anwesenden gähnten, andere nickten ein.
Schließlich wurde die allgemeine Aussprache eröffnet. Dick Katzenburg schilderte einige Fälle, unter anderem auch den gräßlichen aus dem Bestattungsinstitut in Queens.
Nach ihm meldete Laurie sich zu Wort. Sie schilderte ihre sechs Überdosisfälle so knapp wie möglich, darauf bedacht, die demographischen Unterschiede aufzuzeigen, die sie von den üblichen Fällen dieser Art abhoben. Sie beschrieb die Verstorbenen als alleinstehende Yuppies, deren Drogenkonsum für Freunde und Familie völlig überraschend war. Sie erklärte, daß in allen Fällen das Kokain intravenös injiziert worden war, und zwar ohne mit Heroin gemischt zu sein.
"Meine Sorge ist", sagte Laurie, und sie vermied, Bingham anzusehen, "daß wir am Anfang einer Serie ungewöhnlicher Todesfälle durch Überdosis stehen. Ich vermute, daß eine Verunreinigung der Drogen der Grund ist, aber wir haben bisher nichts gefunden. Worum ich bitten möchte, ist, mir Bescheid zu geben, falls jemand auf ähnliche Fälle stößt wie die von mir beschriebenen."
"Ich habe in den letzten Wochen vier solche Fälle gehabt", meldete Dick sich, als Laurie geendet hatte. "Da wir so viele Fälle von Überdosis und Toxizität haben, habe ich den demographischen Daten nicht viel Beachtung geschenkt. Aber jetzt, wo Sie es erwähnen, alle vier waren beruflich erfolgreiche Aufsteiger. Zwei waren Akademiker. Und drei der vier haben das Kokain intravenös genommen, der vierte oral."
"Oral?" wiederholte jemand überrascht. "Eine Überdosis Kokain oral? Das ist ganz schön ausgefallen. Normalerweise erlebt man das nur bei den Drogenkurieren, den Mulis aus Südamerika, wenn bei denen mal ein Kondom platzt."
"Bei Drogensüchtigen überrascht mich nichts mehr", sagte Dick. "Einer von diesen Fällen wurde eingepfercht in einem Kühlschrank gefunden. Anscheinend ist ihm so heiß geworden, daß er hineingekrochen war, um sich Erleichterung zu verschaffen."
"Einer von meinen Fällen wurde auch in
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