Montgomery u Stapleton 01 - Blind
einem Kühlschrank gefunden", warf Laurie ein.
"Ich hatte ebenfalls einen", sagte Jim Bennett. Er war der Institutschef von Brooklyn. "Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, da war noch einer, der halb nackt auf die Straße gerannt ist, bevor er seinen tödlichen Anfall hatte. Er hatte das Rauschgift oral genommen, aber erst, nachdem er es intravenös versucht hatte."
"Waren die demographischen Daten bei diesen beiden Fällen genauso ungewöhnlich für eine Überdosis?" fragte Laurie.
"Zweifellos", meinte Jim. "Der Mann, der auf die Straße gerannt ist, war ein erfolgreicher Anwalt. Und in beiden Fällen schworen die Familien Stein und Bein, daß die Verstorbenen keine Drogen genommen hätten."
Laurie blickte zu Margaret Hauptman hinüber, die das Institut in Staten Island leitete. "Sind Ihnen ähnliche Fälle untergekommen?" fragte sie.
Margaret schüttelte den Kopf.
Laurie fragte Dick und Jim, ob sie ihr die Daten der von ihnen geschilderten Fälle per Fax übermitteln würden. Sie sagten sofort zu.
"Eins muß ich noch erwähnen", sagte Dick. "Bei drei von diesen vier Fällen haben die betroffenen Familien starken Druck auf mich ausgeübt, den Fall als natürlichen Tod hinzustellen."
"Das ist ein Punkt, auf den ich aufmerksam machen möchte", schaltete sich Bingham ein, der zum erstenmal seit Beginn der Aussprache das Wort ergriff. "Bei Todesfällen durch Überdosis von Angehörigen der oberen Gesellschaftsschichten möchten die Familien die ganze Angelegenheit natürlich herunterspielen. Ich meine, wir sollten uns da kooperativ zeigen. Wir können es uns politisch nicht leisten, diese Kreise zu vergraulen."
"Ich weiß nicht, was ich von diesem Kühlschrankaspekt halten soll", sagte Laurie. "Obwohl mich das auf die mögliche Verunreinigung zurückbringt. Vielleicht gibt es irgendeine Chemikalie, die eine synergistische Wirkung mit Kokain hat und zu einer Verstärkung der Hyperpyrexie führt. Auf jeden Fall habe ich die Befürchtung, daß all diese Todesfälle auf dieselbe Rauschgiftquelle zurückgehen. Jetzt, wo wir diese vielen Fälle haben, müßten wir das doch nachweisen können, wenn wir die Prozentwerte der natürlichen Hydrolysate vergleichen. Selbstverständlich sind wir da auf die Kooperation des Labors angewiesen."
Laurie blickte nervös zu Bingham hinüber, um zu sehen, ob sich sein Gesichtsausdruck nach ihrem Hinweis auf das Labor änderte. Er zeigte keine Reaktion.
"Ich glaube nicht, daß unbedingt eine Verunreinigung vorliegen muß", meinte Dick. "Kokain ist ohne weiteres allein in der Lage, diese Todesfälle zu verursachen. Bei den vier Fällen, die ich hatte, waren die Serumwerte hoch. Sehr hoch. Diese Leute haben hohe Dosen genommen. Vielleicht war das Kokain überhaupt nicht gestreckt, vielleicht war es hundertprozentig rein. Wir haben das alles schon bei Heroin erlebt."
"Ich glaube doch, daß eine Verunreinigung vorliegt", widersprach Laurie. "Bei der hohen Intelligenz dieser Opfergruppe fällt es mir schwer zu glauben, daß bei der Dosierung so viele von ihnen gestümpert haben."
Dick zuckte die Schultern. "Vielleicht haben Sie recht", räumte er ein. "Ich meine nur, wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen."
Als Laurie die Besprechung verließ, empfand sie eine seltsame und beunruhigende Mischung aus Erregung, erneuter Frustration und Angst. Innerhalb weniger Stunden hatte sich ihre Serie von sechs auf zwölf Fälle verdoppelt. Das war bedenklich. Ihre Vermutungen über die Zunahme der Fälle schienen von der Wirklichkeit übertroffen zu werden, und zwar in einem erschreckenden Tempo.
Mehr noch als vorher hatte Laurie jetzt das Gefühl, daß die Öffentlichkeit gewarnt werden müsse, vor allem diese Gruppe von Yuppie-Typen. Das Problem war: auf welchem Weg? Natürlich wagte sie es nicht, noch einmal zu Bingham zu gehen. Aber sie mußte etwas unternehmen.
Plötzlich fiel ihr Lou ein. Das Morddezernat hatte doch sicher Verbindung zur Rauschgift-und Sittenpolizei. Vielleicht hatte dieses Dezernat eine Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu warnen, daß eine bestimmte Droge besonders gefährlich war. Entschlossen ging sie in ihr Büro und wählte Lous Nummer. Sie war erleichtert, als er sich meldete.
"Ich bin so froh, daß Sie noch da sind", sagte sie mit einem Seufzer.
"Wirklich?"
"Ich würde gern gleich rüberkommen und mit Ihnen reden", sagte Laurie.
"Wirklich?"
"Warten Sie auf mich?"
"Natürlich", sagte Lou. Er war zugleich verwirrt und freudig erregt. "Kommen Sie
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