Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
die Menge bahnte, wurde ihm klar, was vor sich ging. Das gesamte Klinikpersonal war angetreten, um sich aus dem Rachenraum eine Probe entnehmen zu lassen. Er war beeindruckt. Es war genau die korrekte Reaktion auf den letzten Krankheitsausbruch. Da die meisten Meningokokken-Epidemien durch infizierte, aber nichterkrankte Keimträger ausgelöst wurden, bestand immer die Möglichkeit, daß ein Krankenhausmitarbeiter Träger der infektiösen Erreger war. Das war schon häufiger vorgekommen.
Ein Blick in die letzte Kabine ließ Jack vor Schreck erstarren. Trotz Gesichtsschutz und OP-Haube hatte er Martin Cheveau sofort erkannt. Der Laborchef hatte sich buchstäblich die Ärmel hochgekrempelt und half seinen Assistenten, einen Rachenabstrich nach dem anderen vorzunehmen. Neben ihm türmten sich die benutzten Abstrichtupfer bereits zu einer beeindruckenden Pyramide. Offenbar waren alle verfügbaren Mitarbeiter des Labors zu dieser Arbeit herangezogen worden. Da er nun noch zuversichtlicher war, nicht entdeckt zu werden, schlüpfte Jack vorsichtig durch die Tür, die in das eigentliche Labor führte. Niemand beachtete ihn. Im Gegensatz zu dem hektischen Chaos, das in der Vorhalle herrschte, wirkte das Innere des Labors wie eine futuristische Fabrik, in der nur noch Maschinen einsam ihr Werk verrichten. Das mechanische Klicken und das leise Summen der zahlreichen Apparaturen waren die einzigen Geräusche. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Jack begab sich schnurstracks in den mikrobiologischen Bereich des Labors. Dort hoffte er, entweder Richard, den leitenden Laborangestellten, oder die lebhafte Beth Holderness anzutreffen. Doch er fand keinen von beiden. Als er sich der Laborbank näherte, an der bei seinem letzten Besuch Beth gearbeitet hatte, stieg seine Hoffnung, doch noch etwas zu erfahren. Auf der Arbeitsfläche standen ein angezündeter Bunsenbrenner und daneben ein Tablett mit Rachenabstrichen sowie ein großer Stapel Petrischalen mit frischen Agar-Nährböden. Auf dem Fußboden stand eine Plastik-Abfalltonne, die von entsorgten Kultur-Behältern überquoll.
Da er ahnte, daß Beth in der Nähe sein mußte, begann Jack nach ihr zu suchen. Der etwa fünfundzwanzig Quadratmeter große Raum war durch zwei langgestreckte Arbeitsflächen unterteilt. Jack ging durch den mittleren Gang, an dessen Stirnseite sich zahlreiche biologische Sicherheitsschränke befanden. Am Ende der Laborbank bog er nach rechts ab und warf einen Blick in ein kleines Büro, in dem ein Schreibtisch und ein Aktenschrank standen. An einer Pinwand hingen Fotos. Auch ohne den Raum zu betreten, erkannte er auf etlichen Bildern Richard, den leitenden Laborangestellten.
Er ging ein Stück weiter und entdeckte etliche Isoliertüren aus poliertem Aluminium, die wahrscheinlich zu den begehbaren Kühl- und Brutschränken führten. Dann sah er an der anderen Seite des Labors eine normale Tür, die möglicherweise in einen Lagerraum führte. Gerade als er diesen Raum inspizieren wollte, öffnete sich mit einem lauten Klicken eine der Isoliertüren. Jack fuhr zusammen.
Es war Beth Holderness, die aus dem Isolierraum kam, und einen warmen, feuchten Lufthauch mitbrachte. Beinahe wäre sie mit Jack zusammengestoßen. »Sie haben mich zu Tode erschreckt«, sagte sie und preßte sich eine Hand auf die Brust. »Ich bin mir nicht so sicher, wer hier wen erschreckt hat«, entgegnete Jack und stellte sich noch einmal vor. »Keine Sorge, ich habe Sie nicht vergessen«, sagte Beth. »Bei Ihrem letzten Besuch haben Sie für ganz schön viel Wirbel gesorgt. Ich glaube, Sie sollten hier besser nicht herumlaufen.«
»Ach ja?« fragte Jack unschuldig. »Dr. Cheveau ist stocksauer auf Sie«, erklärte Beth.
»So, dann ist er nun also auch noch sauer«, stellte Jack fest. »Bisher war mir nur aufgefallen, daß er ziemlich mürrisch sein kann.«
»Manchmal hat er wirklich ziemlich miese Laune«, gab Beth zu. »Aber wie Richard mir erzählt hat, haben Sie unserem Chef auch ganz schön heftige Sachen an den Kopf geworfen. Sie sollen ihn beschuldigt haben, die Bakterien, die uns solches Kopfzerbrechen bereiten, mit Absicht zu verbreiten.«
»Die Wahrheit ist, daß ich Ihren Chef überhaupt nicht beschuldigt habe, irgend etwas getan zu haben«, verteidigte sich Jack. »Ich habe lediglich eine kleine Andeutung gemacht, nachdem er so grantig war. Eigentlich war ich nur hergekommen, um mich mit ihm zu unterhalten. Seine Meinung hätte mich wirklich interessiert; ich wollte
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