Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
verfügen. Für jede erfolgreiche Anwerbung eines weiteren Arztes erhalten Sie wiederum einen prozentualen Anteil sämtlicher Beiträge, die dessen neu hinzugewonnene Kunden entrichten. Wenn Sie sich also zum Beispiel entschließen, bei uns mitzumachen, bekommt Dr. Levitz, der Sie ja empfohlen hat, einen prozentualen Anteil aller von Ihren erfolgreich vermittelten Kunden eingehenden Beiträge. Man muß kein Buchhalter sein, um auf den ersten Blick zu sehen, daß Sie mit ziemlich wenig Einsatz eine Menge Geld verdienen können. Als weiteren Anreiz bieten wir Ihnen zudem Auslandszahlungen an, damit Sie Ihre Zusatzeinkünfte nicht versteuern müssen.«
»Aber warum diese Heimlichtuerei?« fragte Dr. Anderson.
»Einige Gründe liegen auf der Hand«, erwiderte Raymond. »Zum Beispiel die Auslandskonten, mit denen wir den Fiskus umgehen. Was das gesamte Projekt angeht, so haben wir am Anfang ein paar ethische Aspekte übersehen, und der Biotechnologie-Konzern, der das Projekt überhaupt möglich macht, legt keinerlei Wert auf schlechte Publicity. Ich will ganz offen mit Ihnen sein - der Einsatz von Tieren für Transplantationszwecke geht vielen Leuten gegen den Strich, und wir wollen uns unter keinen Umständen mit irgendwelchen fanatischen Tierschützern anlegen. Außerdem ist das Projekt äußerst kostspielig, so daß sich nur ziemlich wenige, auserwählte Menschen bei uns einkaufen können. Das steht nicht gerade im Einklang mit den allgemein gängigen Vorstellungen von Chancengleichheit.«
»Darf ich fragen, wie viele Kunden Sie schon für Ihr Projekt gewonnen haben?«
»Patienten oder Ärzte?« hakte Raymond nach. »Patienten«, erwiderte Dr. Anderson. »Etwa hundert«, erklärte Raymond.
»Hat auch schon mal jemand von seinem Double Gebrauch machen müssen?«
»Ja«, erwiderte Raymond. »Wir haben bereits vier Operationen vorgenommen. Zwei Nieren- und zwei Lebertransplantationen. Den Patienten geht es hervorragend; sie benötigen keine Medikamente und lassen keinerlei Abstoßungsreaktionen erkennen. Da fällt mir gerade noch etwas ein: Für die Organentnahme und die Transplantation muß der Kunde natürlich nochmals kräftig zahlen. Selbstverständlich erhält der vermittelnde Arzt auch davon seinen prozentualen Anteil.«
»Und wie viele Ärzte beteiligen sich bisher an dem Projekt?« wollte Dr. Anderson wissen.
»Bisher sind es noch keine fünfzig«, erwiderte Raymond. »Am Anfang mußten wir ziemlich viel Kapital und Arbeit in das Projekt stecken, aber allmählich beginnt sich die Sache auszuzahlen. Bedenken Sie: Wenn Sie jetzt, also zu einem noch recht frühen Zeitpunkt, bei uns einsteigen, werden Sie in erheblichem Maße von dem Schneeballsystem profitieren.«
»Klingt ganz interessant«, sagte Dr. Anderson. »Bei meinen sinkenden Patientenzahlen kämen mir ein paar zusätzliche Einkünfte ganz gelegen. Ich muß auf jeden Fall irgend etwas tun, damit meine Praxis nicht unter den Hammer kommt.«
»Das wäre wirklich jammerschade«, stimmte Raymond ihm zu.
»Darf ich ein paar Tage über Ihr Angebot nachdenken?« fragte Dr. Anderson.
»Selbstverständlich«, erwiderte Raymond wohlwollend und erhob sich. Sein Gefühl sagte ihm, daß er einen weiteren Fisch an der Angel hatte.
»Ich empfehle Ihnen, Dr. Levitz anzurufen. Er hat Sie wärmstens empfohlen und ist mit unserem Arrangement bestens zufrieden.«
Fünf Minuten später hatte Raymond die Praxis verlassen und ging auf der Park Avenue in Richtung Süden. Der Spaziergang gab ihm noch einen zusätzlichen Kick. Der blaue Himmel, die frische Luft und der Hauch von Frühling, der in der Luft lag, versetzten ihn in Hochstimmung; der angenehme Adrenalinstoß, den er immer verspürte, wenn er einen neuen Kunden gewonnen hatte, tat sein übriges. Für einen Moment waren die vertrackten Ereignisse der vergangenen Tage vergessen. Er blickte in eine wunderbare und vielversprechende Zukunft. Doch plötzlich schlitterte er nur haarscharf an einer Katastrophe vorbei. Abgelenkt durch sein Erfolgserlebnis, achtete er beim Verlassen des Bürgersteigs nicht auf den Verkehr und geriet um ein Haar unter einen anfahrenden Linienbus. Der Fahrtwind des vorbeibrausenden Busses blies ihm den Hut vom Kopf. Ein aus dem Rinnstein aufspritzender Schmutzwasserschwall besudelte die vordere Seite seines Cashmeremantels von oben bis unten.
Benommen taumelte Raymond zurück auf den Bürgersteig. Er war nur knapp einem furchtbaren Tod entkommen. New York war eine Stadt, in der man
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