Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
gestikulierte mit ihren ausgestreckten Händen. Ihre Augen glühten vor Aufregung. »Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen. Wir haben schließlich keinerlei Beweise für unsere Vermutungen. Bisher reden wir allenfalls über ein paar wacklige Indizien.«
»Stimmt«, schaltete Kevin sich wieder ein. »Aber da ist noch etwas, was ich euch zeigen möchte.« Er wandte sich wieder seinem Computer zu und erteilte dem Programm den Befehl, die jeweiligen Standorte sämtlicher Bonobos auf der Insel gleichzeitig anzuzeigen. Ein paar Sekunden später begann es an zwei Stellen auf dem Bildschirm zu blinken. Die eine Stelle war die, an der sie Melanies Double entdeckt hatten. Die andere Stelle befand sich nördlich des Sees. Kevin sah Melanie an. »Was schließt du aus dem, was du da siehst?«
»Ich würde sagen, die Bonobos haben sich in zwei Gruppen aufgeteilt«, erwiderte sie. »Glaubst du, sie haben sich dauerhaft voneinander getrennt?«
»Als ich diese Graphik das letzte Mal aufgerufen habe, sah es genauso aus«, erwiderte Kevin. »Das ist ein wirkliches Phänomen. Sogar Bertram mußte mir da zustimmen. Für Bonobos ist ein solches Verhalten absolut untypisch. Normalerweise leben sie in größeren Gruppen als Schimpansen und kommen dabei ganz gut miteinander aus. Hinzu kommt noch, daß die Tiere alle relativ jung sind. Eigentlich müßten sie alle in einer Gruppe leben.«
Melanie nickte. Im Laufe der letzten fünf Jahre hatte sie eine Menge über das Verhalten von Bonobos gelernt.
»Aber es gibt etwas noch Beunruhigenderes«, fuhr Kevin fort. »Wie Bertram mir erzählt hat, hat einer von den Bonobos einen der Pygmäen getötet, der auf der Insel war, um das Double von Winchester einzufangen. Es war kein Unfall. Der Bonobo hat aggressiv mit einem Stein nach ihm geworfen. So ein Verhalten assoziiert man ja wohl eher mit Menschen als mit Bonobos.«
»Da muß ich dir zustimmen«, räumte Melanie ein. »Aber auch das ist noch kein handfester Beweis. Es sind alles nur Vermutungen.«
»Auch wenn es nur Vermutungen sind«, schaltete Candace sich ein. »Sie belasten mein Gewissen, und das kann ich nicht ertragen.«
»Mir geht es genauso«, gab Melanie zu. »Gerade heute habe ich bei zwei neuen Bonobo-Weibchen mit der Stimulationsbehandlung zur Reifung der Eizellen begonnen. Ich werde auf keinen Fall weitermachen, bevor wir nicht genau wissen, ob an unserer verrückten Befürchtung, womöglich eine frühmenschliche Kreatur geschaffen zu haben, irgend etwas dran ist oder nicht.«
»Das wird nicht gerade einfach sein«, gab Kevin zu bedenken. »Wenn wir uns Klarheit verschaffen wollen, muß jemand auf die Insel. Aber das Problem ist: Nur Bertram Edwards oder Siegfried Spallek können die Genehmigung zum Besuch der Insel erteilen. Mit Bertram habe ich schon darüber gesprochen, und obwohl ich ihm von dem Rauch erzählt habe, hat er mir eine klare Absage erteilt. Außer dem Pygmäen, der die Zusatznahrung rüberbringt, läßt er niemanden auf die Insel.«
»Hast du ihm denn von deiner Befürchtung erzählt?« fragte Melanie.
»Nicht im Detail«, erwiderte Kevin. »Aber er wußte, worauf ich hinaus wollte, da bin ich sicher. Er wollte nichts davon wissen. Genau wie Spallek profitiert er nämlich von dem Bonussystem des Projektes, und deshalb werden die beiden mit Sicherheit nichts unternehmen, was den Fortgang der Arbeit hier gefährden könnte. Ich glaube, sie sind so geldgierig, daß es sie nicht die Bohne interessiert, was auf der Insel geschieht. Außerdem ist Siegfried ein zynischer Menschenverächter.«
»Ist er wirklich so schlimm?« fragte Candace. »Ich habe ja schon einiges über ihn gehört.«
»Was auch immer du gehört hast«, stellte Melanie klar, »er ist noch zehnmal schlimmer. Er ist ein richtiger Mistkerl. Er hat zum Beispiel ein paar verarmte Äquatorialguinesen umgebracht, bloß weil sie in einem Gebiet der Zone gewildert haben, in dem er selber gerne auf die Jagd geht.«
»Er hat sie eigenhändig umgebracht?« Candace war schockiert und angewidert.
»Nicht mit eigenen Händen«, erwiderte Melanie. »Er hat die Männer hier in Cogo vor ein inoffizielles Buschgericht gestellt. Anschließend wurden sie auf dem Fußballplatz von ein paar äquatorialguinesischen Soldaten exekutiert.«
»Und um noch eins draufzusetzen«, fügte Kevin hinzu, »hat er sich die Totenschädel der Hingerichteten auf seinen Schreibtisch gestellt. Er bewahrt darin seinen Krimskrams auf.«
»Ich hätte wohl lieber nicht
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