Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
speziellen Schnitt beschäftigt, daß er nicht mehr wahrgenommen hatte, was um ihn herum passierte. Chet hatte es schließlich aufgegeben, seinem Kollegen eine Antwort zu entlocken. Wenn Jack sich auf etwas konzentrierte, war er für seine Außenwelt nicht mehr ansprechbar.
»Schön, daß du deinen Spaß hast«, bemerkte Chet. Er hatte sich gerade von seinem Schreibtisch erhoben und seine Sachen zusammengepackt, um Feierabend zu machen. Jack lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf.
»Bei diesem Fall ist einfach nichts normal.« Dann sah er zu Chet auf und wunderte sich, daß dieser im Mantel vor ihm stand. »Willst du schon gehen?«
»Ja. Und ich versuche bereits seit einer Viertelstunde, mich von dir zu verabschieden.«
»Dann sieh dir das noch an, bevor du gehst«, forderte Jack ihn auf und zeigte auf sein Mikroskop. Er rollte mit seinem Stuhl zurück, um Chet Platz zu machen.
Chet warf einen Blick auf die Uhr und überlegte. Um sieben begann sein Aerobic-Kurs. Er hatte ein Auge auf eine der Stammkundinnen des Fitneßcenters geworfen und sich eigentlich alleine deshalb zu dem Training angemeldet, um die Frau ansprechen zu können. Das Problem war nur, daß sie im Gegensatz zu ihm in recht guter körperlicher Verfassung war; am Ende der Trainingsstunde war er jedesmal viel zu geschafft, um noch ein Wort herauszubringen.
»Nun komm schon«, drängte Jack. »Du willst mir deine Expertenmeinung doch wohl nicht vorenthalten!« Chet stellte seine Aktentasche wieder ab, beugte sich hinab und sah durch das Okular. Da Jack ihm keine weiteren Erläuterungen gab, mußte er erst einmal herausfinden, mit welcher Art von Gewebe er es überhaupt zu tun hatte. »Du brütest also immer noch über diesem Leber-Gefrierschnitt«, stellte er fest.
»Allerdings«, entgegnete Jack. »Und er hat mich den ganzen Nachmittag in Atem gehalten.«
»Warum wartest du nicht, bis dir die normal präparierten Schnitte vorliegen?« wollte Chet wissen. »Diese Gefrierschnitte lassen doch gar keine definitiven Schlüsse zu.«
»Ich habe Maureen ja schon gebeten, sie so schnell wie möglich vorzubereiten«, erklärte Jack. »Aber in der Zwischenzeit ist das hier alles, was ich habe. Was hältst du von dem Bereich unter dem Zeiger?«
Chet drehte an der Okularfokussierung. Eines der zahlreichen Probleme bei den Gefrierschnitten bestand darin, daß sie meistens ziemlich dick waren und die Zellstruktur daher recht verschwommen erschien.
»Sieht nach einem Granulom aus, würde ich sagen«, erwiderte Chet. Ein Granulom war ein Zeichen für eine chronische Entzündung des Gewebes.
»Zu dem Schluß bin ich auch gekommen«, sagte Jack. »Jetzt geh mal weiter nach rechts. Da siehst du einen Teil der Leberoberfläche. Was sagst du dazu?«
Chet folgte Jacks Aufforderung. Dabei ging ihm durch den Kopf, daß der Aerobic-Kurs bestimmt voll sein würde, wenn er nicht sofort aufbrach. Der Trainer war einer der beliebtesten im ganzen Fitneßcenter.
»Sieht aus wie eine große, vernarbte Zyste«, stellte Chet fest. »Kommt dir das, was du da vor dir hast, irgendwie bekannt vor?« wollte Jack wissen.
»Kann ich nicht gerade sagen«, erwiderte Chet. »Ich finde, es sieht eher ziemlich ungewöhnlich aus.«
»Gut gesagt«, bemerkte Jack. »Und jetzt noch eine letzte Frage.«
Chet sah von dem Mikroskop auf und blickte seinen Kollegen an, der seine gewölbte Stirn in tiefe Falten gelegt hatte. »Würdest du bei einem relativ frisch operierten Transplantationspatienten so eine Leber erwarten?«
»Um Himmels willen, nein!« rief Chet. »Eine akute Entzündung könnte ich mir ja noch vorstellen, aber bestimmt kein Granulom. Und erst recht hielte ich es für völlig ausgeschlossen, daß man das Granulom auch noch auf den ersten Blick erkennen kann - wie bei dieser großen Oberflächenzyste hier.« Jack seufzte. »Danke. Ich hatte schon langsam an mir zu zweifeln begonnen. Wie beruhigend, daß du haargenau zu demselben Schluß gekommen bist wie ich.«
»Hallo«, unterbrach sie plötzlich eine Stimme. Die beiden sahen auf. In der Tür stand Ted Lynch, der Leiter des DNA-Labors. Was seine Körpergröße betraf, so stand er Calvin Washington in nichts nach. Vor seinem Studium hatte er in Princeton in der Football-Mannschaft gespielt.
»Ich habe hier ein paar Ergebnisse für Sie«, wandte er sich an Jack. »Aber ich fürchte, sie werden Ihnen nicht gefallen. Deshalb schaue ich auch persönlich bei Ihnen vorbei. Ich weiß ja, daß Sie felsenfest von einer
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