Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
hatte, war er sich ziemlich sicher, dass zumindest die Eltern zu Hause waren. Seine erste Befürchtung war, dass bei der Verhandlung etwas schiefgegangen sei.
Seine Kleider immer noch vor die Brust haltend, huschte Jack den Flur entlang zu dem bogenförmigen Durchgang, der in den großen Wohn- und Essbereich führte. Er beugte sich durch die Öffnung vor und erwartete, den Raum leer vorzufinden. Zu seiner Überraschung saß die ganze Familie auf dem Sofa versammelt. Es sah aus, als würden sie fernsehen, aber der Fernseher lief nicht.
Jack konnte ihre Gesichter nicht erkennen. Einen Moment lang blieb er reglos stehen, sah zu ihnen hinüber und lauschte. Keiner rührte sich oder sprach ein Wort. Verwirrt trat Jack in den Raum und ging näher. Als er noch ungefähr drei, vier Meter von ihnen entfernt war, rief er zögerlich Alexis’ Namen. Er wollte nicht stören, falls das irgendeine Familienangelegenheit war, aber er konnte auch nicht einfach so wieder gehen.
Craig und Alexis fuhren herum. Craig starrte Jack an. Alexis stand auf. Ihr Gesicht wirkte abgespannt, und ihre Augen waren rot. Etwas stimmte hier nicht. Etwas stimmte ganz und gar nicht.
Kapitel 15
Newton, Massachusetts
Mittwoch, 7. Juni 2006
19.48 Uhr
J etzt weißt du alles«, sagte Alexis. Sie hatte Jack erzählt, wie sie und Craig nach der Verhandlungsunterbrechung nach Hause gekommen waren und ihre völlig verängstigten Töchter mit Klebeband gefesselt und geknebelt vorgefunden hatten. Sie hatte langsam gesprochen und ihre Worte bewusst gewählt. Craig hingegen hatte wütend ein paar reißerische Details beigesteuert, zum Beispiel dass Tracy splitternackt aus der Dusche gezerrt und brutal geschlagen worden war.
Jack hatte es die Sprache verschlagen. Er saß auf dem Couchtisch, seiner Schwester und ihrer Familie gegenüber. Während er den Schilderungen lauschte, blickte er von Alexis, die erschüttert, ängstlich und besorgt wirkte, über Craig, der vor Zorn außer sich war, weiter zu den drei schockierten und offensichtlich traumatisierten Kindern. Alle drei saßen schweigend und reglos da. Tracy hatte die Beine unter den Körper gezogen und die Arme vor der Brust verschränkt. Sie trug einen übergroßen Trainingsanzug. Ihr Haar war gekräuselt. Christina und Meghan hatten beide die Arme um die angezogenen Beine geschlungen. Alle drei hatten vom Klebeband wunde, rote Streifen in der unteren Gesichtshälfte. Tracys Lippe war aufgeplatzt.
»Seid ihr drei okay?«, fragte Jack die Kinder. Es sah so aus, als sei nur Tracy misshandelt worden, und zum Glück schien es nur eine kleinere Verletzung zu sein.
»Es geht ihnen den Umständen entsprechend gut«, sagte Alexis.
»Wie sind sie reingekommen?«
»Sie haben die Hintertür aufgebrochen«, versetzte Craig scharf. »Das waren offensichtlich Profis.«
»Ist irgendetwas gestohlen worden?«, fragte Jack. Auf der Suche nach Schäden ließ er den Blick durch den Raum wandern, aber alles schien unversehrt zu sein.
»Nicht, soweit wir erkennen können«, antwortete Alexis.
»Was wollten sie dann?«, fragte Jack.
»Es war eine Botschaft«, sagte Alexis. »Sie haben Tracy befohlen, uns eine Botschaft auszurichten.«
»Was denn?«, fragte Jack ungeduldig, als Alexis nicht näher darauf einging.
»Keine Autopsie«, platzte Craig heraus. »Die Botschaft lautete, keine Autopsie, oder sie würden wiederkommen und den Kindern etwas antun.«
Jacks Blick schoss zwischen Craig und Alexis hin und her. Er konnte nicht glauben, dass sein Hilfsangebot zu einer solchen Situation geführt hatte. »Das ist doch verrückt«, stieß er hervor. »Das kann doch einfach nicht sein.«
»Sag das mal den Kindern!«, versetzte Craig herausfordernd.
»Es tut mir leid«, sagte Jack. Er wandte den Blick ab. Er war fassungslos, dass er diese Katastrophe heraufbeschworen hatte. Kopfschüttelnd sah er die Bowmans an. »Na gut, dann eben keine Autopsie!«
»Wir sind uns nicht sicher, ob wir uns dieser Erpressung beugen wollen«, entgegnete Alexis. »Trotz dem, was vorgefallen ist, schließen wir eine Obduktion nicht kategorisch aus. Wenn jemand so weit geht, Kinder zu bedrohen, um die Autopsie zu verhindern, erscheint uns das als ein Grund mehr, sie durchzuführen.«
Jack nickte. Dieser Gedanke war ihm auch gekommen, aber er hatte kein Recht, Tracy, Meghan und Christina noch weiter in Gefahr zu bringen. Außerdem war Tony Fasano der Einzige, der ihm als Täter in den Sinn kam, und dessen Motiv konnte nur Angst um
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