Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
Umgebung sichtlich eingeschüchtert, andere strahlten geradezu provozierende Geringschätzung aus, als sie nacheinander die Geschworenenbank betraten und Platz nahmen.
Richter Davidson sprach ein paar einführende Worte, in denen er den potenziellen Geschworenen für die Erfüllung ihrer Pflicht dankte und ihnen erklärte, wie bedeutend dies sei, da nur sie allein über den Wahrheitsgehalt der Tatsachen zu befinden haben würden, die ihnen vorgetragen werden würden. Mit wenigen Sätzen beschrieb er das Auswahlverfahren, obwohl er wusste, dass sie darüber bereits im Geschworenenzimmer informiert worden waren. Dann stellte er eine Reihe von Fragen, um ihre Eignung festzustellen, in der Absicht, so die Geschworenen auszusondern, die befangen waren und sie gegen den Kläger oder den Beklagten einnehmen würden. Ziel sei es, betonte er nachdrücklich, dass der Gerechtigkeit Genüge getan werde.
»Gerechtigkeit, dass ich nicht lache!«, dachte Craig Bowman bei sich. Er atmete tief ein und rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Er hatte gar nicht gemerkt, wie angespannt er gewesen war. Er legte seine Hände, die er in seinem Schoß zu Fäusten geballt hatte, auf den Tisch und lehnte sich vor auf seine Unterarme. Er trug einen seiner konservativsten grauen Anzüge, ein weißes Hemd und eine Krawatte, alles auf besondere Anweisung seines Anwalts, Randolph Bingham, der rechts neben ihm saß.
Ebenfalls auf besondere Anweisung seines Anwalts wahrte Craig einen neutralen Gesichtsausdruck, so schwer ihm dies unter solch demütigenden Umständen auch fiel. Er war belehrt worden, würdevoll, respektvoll (was auch immer das bedeuten mochte) und bescheiden aufzutreten. Er sollte darauf achten, nicht arrogant oder aufgebracht zu erscheinen. Das fiel ihm am schwersten, denn er schäumte vor Wut über die ganze Angelegenheit. Randolph hatte ihm ebenfalls geraten, Sichtkontakt mit den Geschworenen aufzunehmen, ihnen in die Augen zu schauen und sie als Bekannte und Freunde zu betrachten. Craig lachte innerlich voller Hohn, während er den Blick über die potenziellen Geschworenen gleiten ließ. Die Vorstellung, dass diese Leute seinesgleichen sein sollten, war doch ein trauriger Witz. Sein Blick blieb an einer spindeldürren jungen Frau mit strähnigem blondem Haar hängen, hinter dem ihr bleiches Koboldgesicht fast vollständig verborgen war. Sie trug ein übergroßes Patriots-Sweatshirt, dessen Ärmel so lang waren, dass nur ihre Fingerspitzen zu sehen waren, während sie ununterbrochen das Haar vor ihrem Gesicht zur Seite schob, um überhaupt etwas sehen zu können.
Craig seufzte. Die letzten acht Monate waren die Hölle gewesen. Nachdem ihm im vergangenen Herbst die Ladung zugestellt worden war, hatte er ja geahnt, dass eine üble Zeit vor ihm lag, aber alles war noch viel ärger gekommen, als er es sich jemals vorgestellt hätte. Zunächst hatte er unter Eid die schriftlich formulierten Beweisfragen des Klägers beantworten müssen, die jeden Winkel seines Lebens auskundschafteten. Doch so unangenehm diese Fragen auch waren, die unter Eid durchgeführte mündliche Vernehmung durch den gegnerischen Anwalt war schlimmer gewesen.
Craig beugte sich vor, sah zum Tisch des Klägers hinüber und musterte Tony Fasano. Es gab einige Menschen, die er in seinem Leben bisher nicht gemocht hatte, aber noch nie hatte er jemanden so sehr gehasst wie mittlerweile Tony Fasano. Er verabscheute sogar die Art, wie Tony aussah und sich kleidete, seine modischen grauen Anzüge, seine schwarzen Hemden, die schwarzen Krawatten und den klobigen Goldschmuck. In Craigs Augen verkörperte Tony Fasano, der wie die Zweitbesetzung eines schäbigen Mafioso anmutete, perfekt das billige Klischee des modernen, auf Körperverletzung spezialisierten Anwalts, der sich wie ein Aasgeier auf Unfallopfer stürzte und aus dem Unglück anderer Menschen Kapital zu schlagen versuchte, indem er aus reichen, widerstrebenden Versicherungen Millionen herauspresste. Zu Craigs Empörung hatte Tony sogar eine Website, auf der er genau damit prahlte, und dass er dadurch das Leben eines Arztes ruinieren konnte, war ihm vollkommen gleichgültig.
Craigs Blick wechselte zu Randolphs aristokratischem Profil, der gerade konzentriert die Befragung der möglichen Geschworenen verfolgte. Randolph besaß eine leicht hakenförmige Nase mit hohem Rücken, die der von Tony gar nicht so unähnlich war, doch die Wirkung war eine ganz andere. Während Tony einen unter dunklen buschigen
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