Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
Verfahrens betraf, fand Jack, zumindest nach der Lektüre der Unterlagen, Alexis’ Sorge und Pessimismus durchaus berechtigt. Mit dieser Großspurigkeit und Arroganz, die in den späteren Abschnitten von Craigs Aussage zum Ausdruck kamen, hatte er sich keinen Gefallen getan. Dem Anwalt des Klägers war es gelungen, ihn so klingen zu lassen, als empfände er es als eine Ungeheuerlichkeit, dass sein ärztliches Urteilsvermögen in Frage gestellt wurde. Das kam bei keiner Jury gut an. Und obendrein hatte Craig auch noch angedeutet, dass seine Frau schuld daran gewesen sei, dass er eine Affäre mit seiner Sekretärin begonnen hatte.
Wenn Jack gedrängt wurde, das Ziel seiner Arbeit als Rechtsmediziner zu beschreiben, antwortete er gewöhnlich – zu einem gewissen Grad hing es von dem Fragenden und der Situation ab –, dass er »für die Toten spreche«. Während er Stanhope gegen Bowman überflog, stellte er fest, dass er hauptsächlich an das Opfer und an die unglückliche, aber offensichtliche Tatsache dachte und daran, dass es nicht im Beweiserhebungsverfahren befragt werden oder als Zeugin aussagen konnte. Er sann darüber nach, wie es den Fall wohl beeinflussen würde, wenn Patience Stanhope in der Lage wäre, am Prozess teilzunehmen, und während er diesen Gedanken weiterspann, gelangte er zu der Überzeugung, dass sie der Schlüssel zu einer erfolgreichen Lösung des Falles war. Wenn die Geschworenen davon überzeugt werden könnten, dass sie tatsächlich die Hypochonderin war, als die Craig sie darstellte, dann würden sie trotz Craigs narzisstischer Persönlichkeit zu Gunsten des Beklagten entscheiden müssen, auch wenn Patience’ letzte Symptome nur allzu real gewesen waren. Diese Gedanken führten ihn zu dem bedauerlichen Umstand, dass es keine Autopsie gegeben hatte, und dementsprechend war auf der Zeugenliste des Beklagten auch kein Rechtsmediziner vertreten, der für die Verstorbene sprechen würde.
Mit dem Umschlag unter dem Arm schlich Jack durch den Flur zur Treppe ins Souterrain. In seinem Zustand wollte er lieber niemandem begegnen. Als er die ersten Stufen hinabging, hörte er, wie über ihm erneut eines der Mädchen schrie und eine weitere Tür zugeschlagen wurde.
Unten in seinem Quartier rasierte er sich, duschte und zog sich so schnell wie möglich an. Als er nach oben kam, hielt sich der gesamte Bowman-Clan im großen Wohn-Ess-Bereich auf. Die Stimmung war angespannt. Die drei Mädchen saßen am Tisch hinter Cornflakes-Schachteln. Craig saß auf dem Sofa hinter der New York Times verborgen, vor sich auf dem Couchtisch einen Kaffeebecher. Alexis stand in der Küche und schmierte die Mittagsbrote für die Mädchen. Im Fernseher liefen die lokalen Nachrichten, aber der Ton war kaum zu hören. Sonnenlicht strömte fast schon zu grell durch die Erkerfenster herein.
»Guten Morgen, Jack«, sagte Alexis fröhlich, als sie ihn in der Türöffnung bemerkte. »Ich hoffe, du hast da unten gut geschlafen.«
»Es war sehr bequem«, antwortete Jack.
»Sagt eurem Onkel guten Morgen«, forderte Alexis die Mädchen auf, doch nur Christina gehorchte.
»Ich verstehe nicht, warum ich das rote Top nicht anziehen darf«, jammerte Meghan.
»Weil es Christina gehört, und sie sagt, sie möchte es nicht«, erklärte Alexis.
»Ist das Flugzeug mit deinen Töchtern drin verbrannt?«, fragte Christina.
»Christina, das reicht!«, ging Alexis dazwischen. Jack zugewandt, verdrehte sie die Augen. »Im Kühlschrank ist frisch gepresster Orangensaft, und frischer Kaffee ist in der Maschine. Was isst du normalerweise zum Frühstück?«
»Nur Obst und Cornflakes.«
»Ist beides da. Bedien dich einfach.«
Jack ging hinüber zur Kaffeemaschine. Als er sich suchend nach einer Tasse umsah, kam, Alexis sei Dank, ein Kaffeebecher über die Granitarbeitsplatte gerutscht. Er schenkte sich Kaffee ein und gab einen Löffel Zucker und einen Spritzer Kaffeesahne dazu. Während er umrührte, ließ er seinen Blick erneut durch den Raum schweifen. Christina und Alexis unterhielten sich über ihre Pläne für die Zeit nach Schulschluss. Die beiden anderen Mädchen wirkten schweigsam und mürrisch. Craig war nicht hinter seiner Zeitung hervorgekommen, was Jack als Affront auffasste.
Doch er wollte sich davon nicht einschüchtern lassen, und weil er glaubte, Angriff sei die beste Verteidigung, ging er hinüber zum Kamin. Er sah nun direkt auf Craigs Zeitung, die er wie eine Mauer vor sich hielt.
»Steht irgendwas Interessantes
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