Monument 14: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
und schüttelte den Kopf.
11 – Trauerfeier
VIERTER TAG
Hätte man mir eine Woche vor der Trauerfeier prophezeit, dass ich bald vor meinen versammelten Mitschülern ein selbstverfasstes Gedicht vortragen würde, hätte ich gesagt: Dann kann ich mich ja gleich mit einer mexikanischen Sombrerokapelle unter Astrids Fenster stellen und ihr ein Ständchen bringen.
Aber in einer Woche kann sich alles ändern. Der Plan mit dem Gedicht stand.
Das Gedicht selbst war mir mitten in der Nacht eingefallen. Ich tastete nach meinem Tagebuch und kritzelte hastig drauflos, um es irgendwie festzuhalten. Bis auf das Kratzen meines Kulis auf dem Papier und das ferne Summen der Kühlschränke war es im dunklen Greenway totenstill.
Als ich wieder eindöste, im Halbschlaf, war ich überzeugt, das schönste Gedicht aller Zeiten verfasst zu haben. Dieses Gedicht – mein Gedicht – konnte die Welt heilen.
Am Morgen weckte mich Batistes Stimme. Er wiederholte alles, was Chloe sagte.
Schnell schlug ich mein Tagebuch auf, um mich in meiner Genialität zu sonnen. Aber natürlich stand da bloß wirres Geschreibsel. Mein Kuli war quer über die Seite geschlingert, nur ein paar Wörter waren überhaupt zu entziffern. Das Schrägste war, dass ich einige Stellen mehrmals unterstrichen hatte – doch über den Strichen waren keine Wörter. Nur Striche mit Ausrufezeichen dahinter.
Ich musste so ziemlich von vorne anfangen.
Ratet mal, wer Frühstück machte! Alex und ich. Eigentlich dachte ich, die anderen könnten meine halb verbrannten, halb rohen Köstlichkeiten langsam nicht mehr sehen, aber meine zugleich kalten und knusperbraunen Tiefkühlwaffeln und verkohlten Kartoffelpuffer waren ratzfatz weg. Beim Frühstück verkündete Josie, die Trauerfeier würde in einer Stunde in der Bettenabteilung stattfinden. Wir sollten auf keinen Fall früher kommen, damit sie genügend Zeit für die Vorbereitungen hätte.
» Dürfen wir uns schick machen? « , fragte Caroline.
Stöhnend rollte Max mit den Augen.
» Warum denn nicht? « , sagte Caroline. » Es ist doch eine Trauerfeier wie in der Kirche, oder? «
Josie nickte. » Das ist eine hervorragende Idee, Caroline. Alle machen sich schick! «
» Kann ich so bleiben? « , fragte Brayden, der Jeans und Sweatshirt trug.
Josies Augen wanderten zu Jake. Sie wartete.
Schließlich räusperte Jake sich. » Ich glaube, wir sollten uns alle umziehen. Aus Respekt und so. «
Nachdem ich mich gründlich mit Babyfeuchttüchern abgewischt und frisch eingekleidet hatte, zog ich mein Tagebuch aus dem Schlafsack, um das Gedicht noch einmal durchzugehen. Ich grübelte gerade über einem Wort oder Komma oder irgendwas, als ich ein Windspiel hörte.
» Was klimpert da so? « , fragte Henrys kleine Stimme.
Er kroch aus dem Spielzeugkistenhaus, das er mit seiner Schwester gebaut hatte. Hinter ihm steckte Caroline den Kopf aus der Tür.
» Äh … ein Windspiel? « , erwiderte ich. » Ich glaube, Josie will uns damit sagen, dass wir zur Feier kommen sollen. «
Henry nahm meine Hand. » Unsere Mom liebt diese Klimperdinger. Sie hat fünf davon aufgehängt, hinten im Garten. Im Winter verwirren sie sich immer total, aber sie geht jedes Mal raus und richtet sie wieder. Sie findet es ganz toll, wie sie klimpern. «
» Ich weiß « , meinte ich. » Man hört es bis zu unserem Garten. « Wegen dieser Windspielmanie bezeichnete meine Mom ihre Mom immer als Hippie, aber das behielt ich für mich.
» Unsere Mommy findet, sie klingen wie Feenmusik! « , fügte Caroline hinzu.
» Hey! « , rief Henry. » Glaubst du, wir können ihr welche mitbringen? Also wenn wir abgeholt werden? «
Caroline nickte. » Das wäre ein tolles Geschenk. «
» Klar « , sagte ich. » Ihr könnt ihr zwei Windspiele mitbringen. Jeder eins. «
Die beiden grinsten sich an.
Die Zwillinge hatten sich für einen vornehmen Partnerlook entschieden: Henry trug eine schwarze Hose, ein kariertes Hemd und einen Pullunder, Caroline ein kariertes Kleidchen, das zu Henrys Hemd passte, Strumpfhosen und glänzende schwarze Schuhe.
Sie hatten sich die sommersprossigen Gesichter gewaschen und die Haare gekämmt.
Ich fragte mich nur noch: Was sind das für Kinder?
Und was glauben sie, ist hier los?
Der kleine Henry hätte mich niemals darum gebeten, aber ich hievte ihn trotzdem auf die Hüfte. Er legte mir die Arme um den Hals. Ein gutes Gefühl. Caroline klammerte sich an meine Hand.
» Dean? « , sagte sie. » Wir sind froh, dass du hier bist.
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