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Monument 14: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Monument 14: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Monument 14: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy Laybourne
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zu.
    Bald standen dort vierzehn Lichter, die gemeinsam flackerten. Die Glaskugeln und der Spiegel reflektierten das Licht und warfen das Glitzern in alle Richtungen.
    Die Kleinen waren wie hypnotisiert.
    Josie erhob sich, einen Korb mit Papier- und Pappstücken in der Hand – Fotografien von Menschen. Nicht von Berühmtheiten, sondern von ganz normalen Leuten, die sie aus Zeitschriften, von Verpackungen und Buchumschlägen ausgeschnitten hatte.
    » Das sind ein paar Bilder von Menschen, die wir nicht kennen « , sagte Josie, während jeder ein Foto aus dem Korb nahm. » Bitte nehmt euch eins, seht den Menschen auf dem Bild an und schickt ihm eure Liebe. Seht ihn im Lichtkreis und wünscht ihm Frieden. «
    Ulysses hob die Hand, flüsterte Josie ein paar spanische Worte ins Ohr und streckte ihr sein Foto entgegen. Ich glaube, das war erst das dritte Mal, dass er überhaupt den Mund aufgemacht hatte. Was auch immer los war, es war ernst. Er weinte.
    Er schob das Foto zurück in Josies Hände.
    » Was hat er gesagt? « , fragte ich Max. Aber Josie hatte schon verstanden. Sie wühlte in den Bildern und suchte einen dicken Chinesen aus, der in einen Apfel biss.
    » Besser? « , fragte sie.
    Ulysses nickte.
    Ich sah, wie Josie das Foto betrachtete, das Ulysses ursprünglich erwischt hatte – eine lächelnde Latinogroßmutter beim Keksebacken. Wahrscheinlich war die Ähnlichkeit zu Ulysses’ echter Großmutter einfach zu groß.
    Ulysses fuhr sich mit dem Ärmel über die Nase. Ein putziger Erstklässler, der nur Spanisch sprach und mit einer Bande Anglos festsaß. Aber er ließ sich nicht unterkriegen. Er gab sein Bestes. Ich hatte den Kleinen verdammt gern.
    Dann blickte ich auf das Pappeteil in meiner Hand.
    Es war ein krabbelndes Baby, nackt bis auf die Windel.
    Der Anblick tat mir in der Seele weh. Ein Baby, das nun höchstwahrscheinlich tot war. Ein Baby.
    Langsam fragte ich mich, ob das hier, diese ganze Feier, so eine gute Idee war. Was wollten wir hier eigentlich?
    Im Stillen regte ich mich mehr und mehr auf. Das war doch Zeitverschwendung, und die Kleinen würde es bloß verwirren und verstören. Was für eine blöde Idee. Für wen hielt Josie sich eigentlich? Seit wann hatte sie das Recht, uns durch irgendein quälendes Ritual zu lotsen, bei dem wir uns selber fertigmachen mussten, indem wir über tote Babys nachgrübelten?
    Was dachte sie eigentlich, wer sie war?
    Josie drückte sich eines ihrer bescheuerten Fotos an die Brust und sang:
    Friede sei mit dir, Friede sei um dich,
    Nun geh in Frieden.
    Friede sei in dir, Friede umgebe dich,
    Nun geh in Frieden.
    Das Lied war nicht sehr kompliziert, und nach ein paar Wiederholungen sangen die anderen mit, so gut sie konnten.
    Sahalia klimperte die Akkorde auf der Gitarre.
    Aber ich wollte das blöde Lied nicht singen.
    Ich betrachtete das Baby auf dem Pappeteil.
    Das Baby tat mir so leid.
    » Alle singen mit! « , befahl Josie.
    Ich starrte sie an.
    » Sing, Dean « , sagte sie.
    Ich konnte nicht.
    » Sing. «
    Alex saß zu meiner Linken. Er legte mir eine Hand auf die Schulter.
    Ich war so froh, dass er bei mir war. So glücklich, dass ich meinen Bruder bei mir hatte. Ich fühlte mich schuldig, weil ich noch Familie hatte. So viele hatten keine mehr.
    Das war mir alles zu viel.
    Deshalb starrte ich auf das Pappeteil, die Augen immer enger zusammengekniffen, bis ich nur noch das Baby sah.
    Ich öffnete den Mund und flüsterte mehr, als dass ich sang: » Nun geh in Frieden. « Ich flüsterte es dem Baby zu.
    Ich dachte nicht an alle Babys. Oder an alle Menschen. Oder an alle , die plötzlich verschwunden waren. Ich sang nur zu diesem einen lockigen Baby. Ich sang es in einen friedlichen Schlaf.
    Ich konnte es bis in den Himmel singen.
    Dieses eine Baby.
    Für dieses eine Baby konnte ich singen, und für niemanden sonst.
    » Amen « , sagte Josie schließlich.
    Erst jetzt bemerkte ich die Tränen, die über mein Gesicht rannen. Mein Hemdkragen war durchnässt, das Zeug war mir sogar in die Ohren gelaufen. Das war mir noch nie passiert.
    » Das war’s « , meinte Josie. » Die Trauerfeier ist zu Ende. «
    » Moment « , sagte Batiste. » Kann ich noch ein Gebet sprechen? «
    Josie nickte. » Natürlich. «
    Batiste stand auf. » Vater unser im Himmel, Gehalloween Dein Name. Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Boot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuhe, wie auch wir vergeben unseren Schuherern, und führe uns nicht

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