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Monument 14: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Monument 14: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Monument 14: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy Laybourne
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gezeichnet, und keiner hatte es mitgekriegt. Wie hatte der Typ das angestellt? Okay, ich hatte ihn ein paarmal mit einem Klemmbrett gesehen und gedacht, er würde Listen schreiben oder so. Aber er hatte Skizzen angefertigt.
    Ich studierte die Zeichnungen genauer. An einer Wand waren es nichts als Hände. Unmengen Hände. Manche in Kohle oder Filzstift, andere mit einem simplen Kuli hingeworfen.
    Die anderen Wände waren abwechslungsreicher: ein Bild von Henry und Caroline, wie sie zusammen in ein Buch schauten. Ich beim Kochen – meinem gequälten Blick nach zu urteilen, war mir irgendwas angebrannt. Aber ich wirkte größer als in meiner eigenen Vorstellung. Der gestrandete, windschiefe Bus, der mit seinen beiden platten Reifen am Haupteingang stand. Und eine wunderschöne, farbenfrohe Pastellzeichnung von Josie. Josies Bild strahlte direkt, es leuchtete. Das Braun ihrer Haut hatte Niko mit einer ganzen Palette an Schokoladen- und Mokkatönen eingefangen.
    Ich deutete auf das Porträt. » Hast du das gesehen? «
    Josie nickte.
    » Es ist schön « , sagte ich.
    Ich entdeckte eine Skizze der Tintenwolke, die sich in den Himmel ergoss. Eine Zeichnung der Trauerfeier, die wir nach Josies Wiederauferstehung abgehalten hatten. Ein irrsinnig treffendes Bild von Luna, das keine zwölf Stunden alt sein konnte …
    Josie hatte mir den Rücken zugekehrt. Sie betrachtete die Wand mit den Händen.
    Ich begriff, dass es lauter verschiedene Hände waren – die Hände verschiedener Menschen. Rechts unten hatte Niko sie jeweils mit sauberen Druckbuchstaben beschriftet: Dad. Grandpa. Tim. Mrs. Miccio. Ich sah Chloes pummeliges Patschhändchen. Jakes riesige Fleischpranke.
    Josie starrte auf eine Zeichnung in der Mitte der Wand. Tränen rannen über ihre Wangen.
    Ich wusste sofort, wessen Hände es waren, auch ohne die Beschriftung zu lesen.
    Die Hände waren geöffnet, als würden sie jemanden willkommen heißen oder zu sich rufen. Weiche Handflächen, mit zarten Linien umrissen und mit Kohle schattiert, was sie fast rosig wirken ließ. Lange, dünne Finger, die sich an den Spitzen verjüngten. Wegen der Haltung der Hände waren der Ehe- und Verlobungsring, die am Ringfinger steckten, nur von hinten zu sehen. Offene Hände.
    Die Hände von Nikos Mutter.
    Manchmal riss einem die Trauer plötzlich den Boden unter den Füßen weg. Oft wenn man am wenigsten damit rechnete.
    Mir passierte es, als ich diese Hände sah.
    » Was macht ihr da? «
    Niko stand in der Tür.
    » Oh, Niko! « Josie drehte sich um. » Die Zeichnungen sind so schön. «
    » Und sie gehen keinen was an. « Er deutete auf die Tür.
    » Es tut mir leid « , sagte ich. » Wir haben nach dir gesucht. «
    Niko wurde lauter. » Raus aus meinem Zimmer. Ich bitte euch! «
    Wir gingen in den Wohnbereich. Er folgte uns.
    » Übrigens « , sagte er spöttisch. » Danke, dass ihr mich vor den Kids zum Sündenbock gemacht habt. Ich versuche nur, auf alle aufzupassen, und jetzt hassen mich alle. Wirklich nett von euch. « Seine Kiefer verkrampften sich. Das war wohl so ziemlich Nikos schlechteste Seite – ein humorloser Prinzipienreiter, der sich nur durch Sarkasmus verteidigen konnte.
    » Wir wollen bloß verstehen, wie du zu deiner Entscheidung kommst « , sagte ich.
    » Was gibt es da zu verstehen? Wir haben eine Abmachung. Ein. Einziger. Tag. «
    » Aber Robbie ist uns wirklich eine große Hilfe, und die Kleinen lieben ihn. «
    » Ja, ja « , meinte Niko. » Aber habt ihr nicht das Gefühl, dass er sich bloß bei allen einschleimt, um länger bleiben zu dürfen? «
    » Und Mr. Appleton? « , fragte ich. » Der ist immer noch ziemlich am Ende. «
    » Das weiß ich doch! Aber … « Endlich sah Niko uns an. » Aber Robbie ist irgendwie … «
    » Was? « , sagte Josie.
    » Er gefällt mir nicht. «
    » Wie meinst du das? « , fragte ich. » Warum nicht? «
    » Seine ganze Art … ich weiß nicht. Wie er sich dauernd an alle ranwanzt. Da stimmt doch was nicht. «
    » Ach, komm schon « , sagte ich.
    » Ich hab gesehen, wie er den Arm um Sahalia gelegt hat. Als sie Motorenöl geholt haben. Er hat ihr den Arm um die Schultern gelegt. Das geht doch nicht. «
    » Sahalia ist dreizehn! « , meinte Josie. » Du denkst doch nicht, dass er … «
    » Ich weiß nicht, was ich denken soll! « , rief Niko. » Ich weiß nur, dass ihr mich alle zu etwas bringen wollt, das sich einfach falsch anfühlt. « Er blickte von mir zu Josie. Hin und her. » Spürt ihr das nicht auch? «
    » Nein

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