Monuments Men
wollte Hitler beweisen, dass diese Unternehmung den Ruhm Deutschlands mehren würde, und sorgte dafür, dass die besten Werke, jene, die für den Führer reserviert waren, ausfindig gemacht und nach Deutschland geschafft wurden. Viele andere allerdings verschwanden in Görings privater Sammlung.«
»Und der Rest?«
»Einige wurden verbrannt«, antwortete Valland. »Im Sommer 1943. Meist Werke von modernen Künstlern, die von den Nationalsozialisten aufgrund ihrer Darstellung der Welt als entartet betrachtet wurden. Mehrere dieser Bilder wurden allerdings aufbewahrt weil man sie verkaufen zu können glaubte. Die ›wertlosen‹ Objekte wurden mit Messern zerschnitten, auf Lastwagen zum Jeu de Paume geschafft und dann in den angrenzenden Gärten verbrannt. Ich würde schätzen, es war eine vollständige Ladung eines Militärlastwagens, ungefähr fünf- bis sechshundert Werke. Klee, Miró, Max Ernst, Picasso. Die Rahmen brannten als Erstes. Dann gingen die Gemälde in Flammen auf, brannten lichterloh und wurden schnell zu Asche. Es war unmöglich, irgendetwas zu retten.« 177
»Wie in Berlin 1938«, sagte Rorimer und dachte an die Verbrennungen von Werken moderner Kunst, die zu jener noch friedlichen Zeit die ganze Welt entsetzt hatten. Mittlerweile hatte die Welt begriffen, dass es nichts gab, was man den Nazis nicht zutrauen konnte.
»Was ist mit den übrigen Bildern geschehen?«, fragte er.
Rose Valland stand auf und ging in ihr Schlafzimmer. Als sie zurückkam, brachte sie einen weiteren Stapel von Beweismitteln. »Der Rest befindet sich in Deutschland«, sagte sie und reichte ihm Dokumente über die Unterbringungsorte in Heilbronn, Buxheim und Hohenschwangau – alles Namen, die Rorimer schon früher von ihr gehört hatte. Als Valland ihm die Lage dieser Orte und ihre Bedeutung erklärte, wurde Rorimer eines klar: Die Depots befanden sich alle im südlichen Deutschland, was bedeutete, dass sie im Zuständigkeitsgebiet der 7. US-Armee lagen. Seiner Armee. Auf seinem Gebiet. Plötzlich spürte er die Last der Verantwortung. Mehr als vier Jahre lang war Rose Valland für die Erhaltung dieser Kulturschätze verantwortlich gewesen; heute übertrug sie ihm diese Bürde – dieses Privileg, diese Verpflichtung.
»In diesem Schloss«, sagte Valland, »haben die Nazis Tausende geraubte Kunstwerke aus Frankreich zusammengezogen. Wenn Sie dorthin kommen, werden Sie neben den Kunstwerken auch sämtliche Berichte und Dokumentationen des ERR finden.« Sie machte eine Pause. In der ganzen Welt war Neuschwanstein bekannt als romantisches Märchenschloss des bayerischen Königs Ludwig II., dem ein Hang zu allerlei Träumereien und Verrücktheiten nachgesagt wurde. Valland erklärte ihm, dieses Schloss sei wahrscheinlich die größte Schatzkammer der Welt. Aber Neuschwanstein lag hoch oben auf einem Felsen in den bayerischen Alpen, abgeschottet und mit modernen Fahrzeugen nur schwer erreichbar. Es musste eine gewaltige Anstrengung erfordert haben, Hunderte schwere Kisten mit Kunstobjekten an einen solch entlegenen Ort zu schaffen, denn insgesamt hatte Rose Valland rund 20 000 Objekte dokumentiert, die durch das Jeu de Paume gewandert waren.
»Wie können Sie so sicher sein?«, fragte er.
»Vertrauen Sie mir«, erwiderte Rose Valland. »Das ist mehr als weibliche Intuition.« 178
30
HITLERS NERO-BEFEHL
Berlin
18./19. März 1945
Albert Speer, der Architekt Hitlers und ab 1942 Reichsminister für Bewaffnung und Munition, war in Verlegenheit geraten. Speer gehörte nicht zu den frühesten Parteimitgliedern – er hatte die Mitgliedsnummer 474 481 –, aber er war seit Mitte der 1930er-Jahre eng mit Adolf Hitler verbunden. Der »Führer« hielt sich selbst für einen Amateur-Architekten und empfand stets eine besondere Zuneigung zu »Künstlerkollegen«. In den zehn Jahren, die sie zusammenarbeiteten, widersetzte sich Speer nicht ein einziges Mal einem von Hitlers direkten Befehlen. Doch nun hatte Hitler einen Plan zur Zerstörung der deutschen Infrastruktur ausgearbeitet – von Brücken, Bahnlinien, Fabriken, Lagerhäusern und anderen Einrichtungen, um den Vormarsch des Feindes zu behindern. Wochenlang hatte Speer erfolgreich um Besonnenheit und Zurückhaltung geworben.
Aber am 15. März 1945 wurde Speer mitgeteilt, dass vier Offiziere auf Befehl Hitlers hingerichtet worden waren, weil sie die Brücke in Remagen nicht gesprengt hatten, was es den westlichen Alliierten ermöglichte, über den Rhein vorzustoßen. Da er
Weitere Kostenlose Bücher