Monuments Men
letzten Tagen ihrer Besatzung haben sie regelrecht gewütet. Von hier aus erscheinen sie nicht mehr als ein unschuldiges Volk mit kriminellen Führern. Sie erscheinen alle als Kriminelle. Und ich frage mich, wie lange es dauern wird, sie dazu zu bringen, gesittet mit dem Rest der Welt zusammenzuleben.
Da ich in einer Stadt bin, fühle ich mich in meinen Feldklamotten einigermaßen unwohl und ungepflegt – ein Stahlhelm, keine Krawatte, staubig vom Schmutz der Straße, und dazu noch das Gewehr. Sich sauber zu halten, ist immer ein Problem. Ich hatte keine Zeit, meine Kleidung zu waschen, und da ich ständig auf dem Sprung bin, kann ich sie auch nicht außer Haus geben.
Wir werden überall auf das Herzlichste willkommen geheißen. In einer anderen Stadt habe ich heute einen Jeep gesehen, der vollständig mit Blumen bedeckt war. Der Korporal, der ihn fuhr, sagte: »Mensch, man könnte meinen, wir hätten den Krieg schon gewonnen!« Gestern ist in einem Dorf, in dem es kaum Kriegsschäden gibt, ein Mädchen mit seiner Schwester, ungefähr zwei Jahre alt, zu uns gekommen, und die Kleine hat mir einen Apfel gegeben. Sie wollte ihn nicht zurücknehmen, ebenso wie ein kleiner Junge, der mir in einem anderen Dorf eine Tomate geschenkt hat. Sie alle möchten uns ständig die Hand schütteln, mindestens zweimal ... Pass auf dich auf. Wenn dich dieser Brief erreicht, wird der Sommer schon vorbei sein, und du wirst die Besprechungen mit den Lehrern vor dir haben. Versuch nicht, irgendwas anderes zu übernehmen, nachdem die Schule angefangen hat. Ich werde versuchen, in den nächsten Tagen meinen Sold ausgezahlt zu bekommen, und schicke dir dann Geld. Ich vermute, du wirst viel hören über Opfer und Gefallene. Wir erfahren hier nichts davon, und es geht uns auch nicht besonders schlecht.
Ich liebe dich und denke an dich
Dein
George
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DIE MADONNA VON MICHELANGELO
Brügge, Belgien
September 1944 77
In der letzten Augustwoche 1944 beschleunigte sich der Vormarsch der Alliierten in Nordwesteuropa. Die Deutschen hatten fast alle ihre Reserven in den Kampf geworfen, um den »Stahlring« um die Normandie zu sichern, und nachdem dieser Ring gesprengt war, lag ein weites Terrain offen vor den westlichen Alliierten. Ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, rückten sie vor, wobei ihnen große Mengen an aufgegebenen Nahrungsmitteln, Hunderte Zugladungen Kohle, unzählige Fahrzeuge und verwundete deutsche Soldaten und sogar Waggons voll mit geraubten Dessous und Parfüm in die Hände fielen. Die Dörfer waren mit Blumen geschmückt, die Bewohner jubelten den Befreiern zu und brachten ihnen, was immer sie zu essen und zu trinken erübrigen konnten. Die überlebenden Deutschen hatten ihre Waffen niedergelegt und die Flucht angetreten.
Am 28. August waren die Alliierten schon mehr als 160 Kilometer weit vorgerückt, hatten Paris befreit und stießen über die Pariser Vororte hinaus weiter nach Osten vor. Am 2. September erreichten sie Belgien; einen Tag später durchquerten sie mehr als die Hälfte des Landes und befreiten Brüssel, die belgische Hauptstadt. Vier Tage danach, am späten Abend des 7. September oder vielleicht auch erst am frühen Morgen des 8. September, wurde der Küster der Liebfrauenkirche in der belgischen Stadt Brügge durch ein Klopfen an der Tür aus dem Schlaf gerissen. Als der Küster, der sich zuerst etwas anziehen wollte, nicht gleich aufmachte, wurde das Klopfen lauter und energischer. Als er schließlich an die Tür kam, hämmerte jemand dagegen. »Geduld, Geduld«, brummte der Kirchenbedienstete leise.
Draußen standen zwei deutsche Offiziere, der eine in der blauen Uniform der Marine, der andere in Feldgrau. Hinter ihnen, auf der dunklen Straße, konnte der Küster bewaffnete deutsche Matrosen erkennen, die aus der örtlichen Kaserne stammten. seiner Schätzung nach waren es ungefähr zwanzig, vielleicht auch einige mehr. Sie waren auf zwei Lastwagen gekommen, die mit den Zeichen des Roten Kreuzes versehen waren.
»Öffnen Sie die Kirche«, verlangte einer der Offiziere.
Der Küster brachte die Deutschen zum Pfarrer.
»Wir haben unsere Befehle«, sagte der Offizier und hielt dem Geistlichen ein Stück Papier entgegen. »Wir nehmen den Michelangelo mit. Um ihn vor den Amerikanern zu schützen.«
»Vor den Amerikanern?« Der Pfarrer lachte über diese Unverfrorenheit. »Es heißt, dass die Briten vor der Stadt stehen. Von den Amerikanern habe ich noch nichts gehört.«
»Wir haben unsere
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