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Monuments Men

Monuments Men

Titel: Monuments Men Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Edsel
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auf einen Deutschen, hatte aber regelmäßigen Kontakt mit einem anderen Feind: mit Eisbären. Wie der bedauernswerte Junge aus Alabama feststellen musste, war Churchill in Manitoba die Eisbären-Hauptstadt der Welt.
    Und jetzt saß er hier in einer eroberten deutschen Kaserne in Ostfrankreich. In ein paar Wochen, vielleicht sogar schon in wenigen Tagen, wenn die 3. Armee ihren Vormarsch im bisherigen Tempo fortsetzte, würde er in Deutschland sein, und kurze Zeit später in Berlin ... zumindest wenn es nach Papa Patton ging.
    Er beendete den Brief an Alice – und fügte noch einen Nachtrag über den Luxus einer heißen Dusche hinzu –, dann griff er nach dem Päckchen, das vor ein paar Tagen vom SHAEF gekommen war. Darin befanden sich Fotos, Beschreibungen und Hintergrundinformationen zu einigen verschollenen belgischen Kunstschätzen. Zwei davon waren besonders wichtig. Das war zum einen die Brügger Madonna, über deren Raub Ronald Balfour vor einer Woche berichtet hatte. Das andere Objekt war der Genter Altar.
    Die Anbetung des Gotteslamms, besser bekannt als Genter Altar, war das bedeutendste und am meisten geschätzte belgische Kunstobjekt. Der Flügelaltar, rund 3,75 Meter hoch und 5,20 Meter breit, besteht aus zwei Reihen von Holztafeln: vier in der Mitte und vier auf jedem Flügel, wobei die Flügel auf beiden Seiten bemalt sind. Die 24 individuellen, aber thematisch miteinander verbundenen Arbeiten sind so angeordnet, dass sich in geschlossenem und in geöffnetem Zustand unterschiedliche Bilder ergeben. Die zentrale Tafel, von der sich auch der Name des Kunstwerks herleitet, zeigt das Gotteslamm auf einem Altar; oberhalb des Altars schwebt die Taube des Heiligen Geistes, und um ihn herum haben sich Menschen versammelt. Der Altar wurde von Hubert van Eyck begonnen, der als maior quo nemo repertus (»größer als alle anderen«) bekannt war, und nach seinem Tod 1426 von seinem jüngeren Bruder Jan van Eyck, der sich selbst als arte secondos (der »Zweitbeste in der Kunst«) bezeichnete, 1432 vollendet.
    Als der Altar in der St.-Bavo-Kathedrale in Gent enthüllt wurde, sorgte er für großes Aufsehen. Die Bilder sind in realistischer Manier gemalt, die auf unmittelbarer Beobachtung beruhte und sich dadurch von den idealisierten Formen der Antike oder der verflachten Darstellungsweise des Mittelalters absetzte. Die Bilder auf allen Tafeln, auch den weniger bedeutenden, zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Detailliertheit aus, von den Gesichtern der menschlichen Figuren, die an reale Menschen aus dem Flandern des 15. Jahrhunderts angelehnt sind, bis zu den Gebäuden, den Landschaften, der Vegetation, der Kleidung, dem Schmuck und anderen Materialien. Der detaillierte Realismus, der auf dem versierten Einsatz von Ölfarben beruht, stellte etwas völlig Neuartiges in der Kunstwelt dar. Dieser Stil sollte die Malerei grundlegend verändern und bereitete den Boden für die nördliche Renaissance, das Goldene Zeitalter der niederländischen Kultur, die mit der italienischen Renaissance konkurrierte.
    Fünfhundertachtzig Jahre später, im Mai 1940, rollte über die Berge und Wiesen, die in van Eycks Meisterwerk so lebendig dargestellt worden waren, der »Blitzkrieg« hinweg, und sie wurden von deutschen Truppen besetzt. Während sich eine halbe Million britische und französische Soldaten nach Norden zurückzogen, verfolgt von der Wehrmacht, waren drei Lastwagen mit den bedeutendsten Kunstwerken Belgiens nach Süden unterwegs, darunter auch der Genter Altar. Die Kulturschätze waren dazu ausersehen, zum Vatikan zu gelangen, wo sie unter dem Schutz des Papstes hätten stehen sollen. Sie schafften es aber nur bis zur französischen Grenze; dann erklärte Italien den Ländern in Westeuropa den Krieg. Die Lastwagen, denen deutsche Panzerdivisionen entgegenkamen, die nach Norden zogen, um die Evakuierung der britischen Truppen in Dünkirchen zu unterbinden, wechselten daraufhin die Richtung und gelangten schließlich zu einem Château in der südwestfranzösischen Stadt Pau, das als Lagerstätte für Kunstwerke diente und wo die erschöpften und verängstigten Fahrer den Altar in die Obhut der französischen Behörden gaben.
    Hitler wusste, dass es unmöglich war, bekannte Meisterwerke von der Größe des Genter Altars zu rauben, ohne auf der ganzen Welt einen Sturm der Entrüstung hervorzurufen. Er besaß zwar die Mentalität eines Eroberers – er glaubte, ihm stünde die Kriegsbeute zu, und er war auch

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