Monuments Men
Deutschen 1940 aus der Rothschild-Villa in Paris geraubt worden war – ein ähnliches Schicksal erlitten hatten.
»Wo sind die Wachen?«, fragte Stout.
Einer der Kuratoren deutete durch den Raum auf zwei Polizisten.
»Ist das alles?«
Der Kurator nickte. Es seien magere Jahre, nur ein paar Wachen seien verfügbar, selbst für einen nationalen Kulturschatz. Außerdem bestehe für eine stärkere Bewachung auch keine Notwendigkeit. Die Deutschen wüssten seit Langem schon Bescheid über St. Pietersberg Lager in der Nähe von Maastricht und auch über andere. Deutsche Offiziere und Soldaten hätten sogar einen Umzug der Nachtwache überwacht, die bereits an mehreren anderen Stellen »versteckt« worden war, bevor sie 1942 nach Maastricht gekommen war, das nicht weit von der deutschen Grenze entfernt liegt. Vermutlich schienen sich die holländischen Kuratoren wegen des mangelnden Schutzes keine großen Sorgen zu machen. Abgeschnitten von der Außenwelt in ihrem Schlupfwinkel in den Hügeln, hatten sie vom jüngst erfolgten Raub der Brügger Madonna nichts erfahren. Sie verstanden nicht, wie George Stout erkannte, dass es nicht am gefährlichsten gewesen war, als die Deutschen noch alles unter Kontrolle hatten, sondern erst dann, als ihnen die Kontrolle entglitt und sie erkannten, dass ihre letzte Gelegenheit zum Handeln gekommen war. Was hatte Dr. Rosemann zu dem Küster in der Kirche von Brügge gesagt? Ich habe seit Jahren ein Bild von ihr auf meinem Schreibtisch. Was hatten die französischen Bauern Hancock erzählt? Die Deutschen waren wunderbar diszipliniert und korrekt, solange sie die Oberhand hatten – und hatten zu wüten begonnen, als klar wurde, dass ihr Aufenthalt zu Ende ging.
»Wir schicken mehr Wachen«, sagte Stout. »Mindestens zehn Mann, bis hier in der Gegend wieder normale Verhältnisse herrschen.«
Die Telefonverbindungen waren zusammengebrochen; die Bitte um zusätzliche Wachen musste warten, bis sie wieder zurück im Hauptquartier waren. Stout ärgerte sich über diese Ineffizienz und den Mangel an Planung, ganz zu schweigen von der Gefahr, die mit der Verzögerung verbunden war. Aber nach einem kurzen Augenblick war er wieder der Alte, pragmatisch und unerschütterlich. »Die zusätzlichen Wachen werden voraussichtlich morgen ankommen«, sagte er und stapfte zu seinem Leihwagen. »Aber so ist das eben in der Armee. Ich kann nichts garantieren. Danke, meine Freunde, für diesen ungewöhnlichen Ausflug.«
Mein Gott, dachte Hancock, als er zu dem Konservator in den Jeep stieg und einen letzten Blick in Richtung Rembrandts Meisterwerk warf, das für alle Welt wie ein Teppich aussah, der in irgendeinem Wohnzimmer ausgelegt werden sollte. Im Krieg passieren manchmal schon seltsame Dinge.
14
VAN EYCKS GOTTESLAMM
Ostfrankreich
Ende September 1944
Hauptmann Robert Posey, der Bauernjunge aus Alabama und Monuments Man in General Pattons 3. US-Armee, hängte sein Handtuch an den Haken und ging zurück zum Notzelt. Es war der 23. September 1944, und Posey hatte gerade die erste Gelegenheit zu einer heißen Dusche seit seiner Ankunft in der Normandie vor mehr als zwei Monaten wahrgenommen. Er strich sich mit der Hand über sein warmes, frisch rasiertes Gesicht. Viele Jahre hatte er einen Oberlippenbart getragen, und an dessen Fehlen musste er sich erst gewöhnen. Ohne Haare über den Lippen sah er aus wie ein Junge, nicht wie ein 40 Jahre alter Architekt, Ehemann, Vater und Soldat. Und außerdem war ein Schnurrbart ein Statement. Als er eingezogen worden war, hatte er sich die beiden Enden abgeschnitten, um dadurch Hitlers wohlbekannte Barttracht nachzuahmen. Das war sein kleiner Seitenhieb gegen das Dritte Reich, aber der General war davon nicht sonderlich begeistert gewesen.
»Verdammt, Bobby, rasieren Sie sich diesen Schmutz über Ihrer Lippe ab«, hatte Patton wütend hervorgestoßen, als er die kleine Stelle Haar zu Gesicht bekam. 91
Posey verübelte seinem Kommandeur dessen gelegentliche Wutausbrüche nicht. Es war für ihn eine Ehre, in Pattons Heeresgruppe auf dem europäischen Festland zu dienen. Robert Posey fühlte sich in Wirklichkeit den Männern der 3. Armee enger verbunden als seinen Kollegen, den übrigen Monuments Men, und er teilte den Stolz der Soldaten, ihre Brüderlichkeit und ihre persönliche Verbitterung darüber, dass die übrigen alliierten Armeen ihre offenkundige Überlegenheit bisher nicht entsprechend gewürdigt hatten. Sie waren die Armee, die den »Stahlring« in
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