Monuments Men
schwierige Gratwanderung die sie aber im Laufe der Zeit immer besser beherrschte. Sie hatte mehrmals ihren Posten im Museum aufgeben müssen, weil man ihr Spionage, Diebstahl und Sabotage vorwarf oder sie beschuldigte, dem Feind Informationen geliefert zu haben. Stets hatte sie alle Vorwürfe energisch bestritten, und tagelang wurden Schuldzuweisungen hin- und hergeschoben. Am Ende durfte sie immer wieder zurückkehren. Je »verdächtiger« sie wurde, umso wertvoller war sie für ihre deutschen Vorgesetzten, denn sie konnten sie als Entschuldigung für alle auftretenden Probleme heranziehen. Das galt vor allem für Lohse, der im Verdacht stand, einzelne Objekte für private Zwecke abzuzweigen, als Geschenke für Freunde oder für seine Mutter. Valland wusste, dass er stahl; sie hatte ihn bereits Anfang Oktober 1942 beobachtet, als er Bilder in den Kofferraum seines Wagens legte. Sie hatte nie etwas gesagt. Zum einen lag dies daran, dass sie es als eine bittere Ironie empfand, dass ein Dieb andere Diebe bestahl. Zum anderen hatte es auch damit zu tun, dass Lohse ihr Schweigen und ihr Durchsetzungsvermögen schätzte. Sie war eine große Ablenkung. Ihr schlimmster Feind, vermutete sie, war insgeheim auch ihr Beschützer.
Doch dies galt nur so lange, wie es praktisch war, sie im Museum zu behalten. Als die Raubzüge zurückgingen und die Alliierten auf dem Vormarsch nach Paris waren, wurde sie unbequem. Im Juni war eine französische Sekretärin verschwunden, die für den ERR gearbeitet hatte und von den Deutschen als Spionin verdächtigt wurde. Kurze Zeit später wurde eine deutsche Sekretärin, die mit einem Franzosen verheiratet war, unter dem Vorwurf der Spionage verhaftet. Die Besatzer brachten nicht nur die Kunstwerke weg, sie räumten auch das Personal aus dem Weg. Rose Valland war jedoch ziemlich sicher, dass sie die einzige französische Mitarbeiterin war, die nicht wirklich unter Verdacht stand. Aber das bedeutete nicht, dass man sie nicht möglicherweise auch töten würde. Wenn die Besatzer spürten, dass es zu Ende ging, dann würden sie nicht die Spione eliminieren, sondern vielmehr die Zeugen.
Am 1. August begann die Schlussphase. Die Deutschen leerten das Museum und schafften alles weg, bevor die Alliierten erschienen. Rose Valland blieb im Gebäude, um zu beobachten und zu lauschen. Lohse war nirgends aufzutreiben; Bunjes lief niedergeschlagen durch die Gänge. Doch inmitten dieser hektischen Aktivitäten tauchte Oberst Kurt von Behr auf, der Befehlshaber des Jeu de Paume. Sie erinnerte sich, dass sie ihn zum ersten Mal im Oktober 1940 gesehen hatte. Damals stand er in voller Uniform vor ihr, kerzengerade, streng und mit den Armen hinter dem Rücken verschränkt, in triumphierender Pose, groß und stattlich, ganz so, wie deutsche Kriegshelden auf Fotos gerne gezeigt wurden. Die Mütze beschattete seine Augen, was den Vorteil hatte, wie sie später erfuhr, dass er dadurch sein Glasauge verbergen konnte. Er war durchaus charmant, ein weltgewandter deutscher Adeliger, und sprach gut Französisch. Der Eroberer, der noch seinen Sieg feierte, war freundlich und schien bestrebt, sie davon zu überzeugen, dass die Deutschen keine ungezügelte wilde Horde waren. In seinem Großmut erlaubte ihr der Kriegsherr, in ihrem früheren Museum weiterzuarbeiten, das jetzt sein Reich war.
Vier Jahre später war er völlig verändert: gehetzt, gebeugt, mit zerfurchtem Gesicht und kahler werdendem Kopf. Er stieg auch nicht gerade in Vallands Achtung, weil er, wie sie in den vergangenen Jahren herausgefunden hatte, einer verarmten Seitenlinie seines Adelsgeschlechts entstammte und seine Jugend ziellos vergeudet hatte. Er war nicht einmal Soldat, er war vielmehr Leiter des Französischen Roten Kreuzes, ein Posten, den er den Nationalsozialisten verdankte. Er besaß keinen offiziellen Rang, wenngleich er sich Oberst nannte. Und er hatte sich eine eigene Rotkreuzuniform gebastelt: schwarz, mit Hakenkreuzen verziert und auffallend ähnlich den Uniformen der Waffen-SS.
Er wirkte mitleiderregend, aber auch gefährlich. Denn das Auffälligste an ihm, als sein Reich in Trümmer fiel, war der Ausdruck in seinen Augen. Vier Jahre vorher war er noch weltläufig und gelassen erschienen, der vollendete Eroberer. Jetzt war sein Zorn zu spüren, der Zorn über die Erkenntnis, dass bald alles verloren sein würde.
»Vorsichtig«, fuhr er die deutschen Soldaten an, die Bilder gegeneinander krachen ließen, als sie sie ohne
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