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Monuments Men

Monuments Men

Titel: Monuments Men Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Edsel
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ist.«
    Rorimer hatte sich von Rose Valland von den neun Kunstdepots erzählen lassen, als sie gemeinsam dorthin unterwegs waren. Während ihrer Tätigkeit als Spionin im Jeu de Paume hatte sie die Adressen aller wichtigen deutschen Lagerhäuser in Paris ausfindig gemacht, und auch die Pariser Wohnadressen der an den Raubzügen maßgeblich beteiligten Deutschen. Diese Informationen hatte sie Anfang August an Jaujard weitergegeben. Der wiederum hatte sie an die neue französische Regierung zur Überprüfung weitergeleitet. Zwar waren mittlerweile einige Objekte an den Louvre zurückgegeben worden, aber darüber hinaus hatte sich nichts mehr getan.
    Dies war nun Vallands erster Besuch in den deutschen Kunstdepots, die sie so mühsam aufgespürt hatte. Sie fanden nicht viel. Ein Depot enthielt Tausende seltener Bücher; in einigen anderen befanden sich einfachere Kunstwerke, die bei einer Durchsuchung des Gebäudes durch die französischen Behörden zurückgeblieben waren. Es war ernüchternd, ein weiterer Rückschlag. In seinen Briefen nach Hause schwärmte Rorimer zwar weiterhin von seinem Job, aber in seine Zufriedenheit mischten sich auch Zweifel und Frustration.
    Zudem hatte er Heimweh. In England hatte er sich verpflichtet keine sentimentalen Briefe in die Heimat zu schreiben, »weil dadurch der Verfasser wie auch die Empfänger nur unnötigerweise emotional aufgewühlt werden würden«. 140 Ein halbes Jahr lang hatte er sich pflichtbewusst an diese Vorgabe gehalten. Doch Ende Oktober hatte er dagegen verstoßen und seiner Frau geschrieben: »Ich denke oft an deine Probleme, vielleicht sogar ständig. Nicht dass ich dir nicht helfen möchte, in dieser Zeit dein Leben zu meistern, ich weiß nur, dass es töricht wäre, etwas anderes zu tun, als unsere gemeinsamen glücklichen Jahre in der Zukunft vorzubereiten. Ich frage nicht nach unserem Kind und will dir auch nicht sagen, wie sehr ich mich danach sehne, Anne zu sehen. Das wäre nicht fair ... Wenn ich das Kind der Concierge in unserem Haus sehe, spüre ich, wie sehr mir die gemeinsamen Momente fehlen.« 141 Anne war acht Monate alt, und ihr Vater hatte sie noch nie gesehen. Und er hegte auch nicht die Hoffnung, dass dies bald der Fall sein würde.
    Er war ausgelaugt. Und die Schwierigkeiten in seiner Arbeit – die unzähligen Fehlschläge, die nervenaufreibende Bürokratie, die endlosen kleinen Störungen, die Isolation von der Familie und den Freunden – all dies setzte ihm zu. Was ihm schließlich Ende November den Rest gab, war ein kleines Ereignis: Seine geliebte Schreibmaschine, die er sich auf der Überfahrt nach Frankreich gekauft hatte, wurde gestohlen. Es erschien eigentlich kaum bedeutend, aber es waren keine anderen Schreibmaschinen verfügbar, und er fand auch keine, die zum Kauf stand, und daher musste er nach Hause schreiben und seine Mutter bitten, ihm eine Schreibmaschine zu schicken, wofür eine Erlaubnis der Armee erforderlich war.
    Im Nachhinein war es ihm ein Rätsel, warum er damals explodiert war, aber dafür gab es einen tieferen Grund: Trotz der Abendessen mit bekannten Personen der gehobenen Gesellschaft, der erfreulichen Momente in Paris und seines Glaubens an die Arbeit hatte er allmählich erkannt, dass Paris nicht entscheidend war für die Bemühungen des Kunstgüterschutzes. Die wichtige Arbeit war nicht hier zu leisten, sondern in Deutschland. Rorimer betrachtete den Krieg als eine Gelegenheit, etwas zu tun, »was man einen Dienst an der Menschheit nennt«, und er war entschlossen seinen unverkennbaren Beitrag zu leisten. 142
    Als er in den ERR-Depots stand und die Lagerhäuser sah, die von den Nationalsozialisten mit »beschlagnahmten« Objekten angefüllt worden waren, begriff er das Ausmaß und die Komplexität ihres Raubzugs. Hier handelte es sich nicht um eine versehentliche Beschädigung oder eine zornige Vergeltung, sondern um ein weit gespanntes Netz aus absichtlicher Täuschung, das sich über Paris und all die Straßen nach Deutschland erstreckte und bis zu Hitlers Bunker in Berlin reichte. Jaujard hatte ihn in dieses Netz gestoßen. Der Franzose war der Orchesterdirigent, der Mann im Zentrum eines eigenen Ränkespiels, jene Person, die über die Verbindungen und den Weitblick verfügte, um dem Besitzstreben der Nazis wirkungsvoll Paroli zu bieten. Er hatte die Museen und die staatlichen Sammlungen geschützt, aber im Vergleich dazu hatte er wenig tun können, um auch den privaten Kunstbesitz in Frankreich zu sichern

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