Monuments Men
Güterwaggons mit den 148 Kisten mit Kunstobjekten«, schrieb Valland an Jaujard, »sind in unserer Hand.« 137
Aber ganz so einfach war es nicht gewesen. Als die 2. Panzerdivision der Streitkräfte des Freien Frankreich einige Tage später auftauchte, wies die Résistance sie auf die Bedeutung dieses Zuges hin. Die Einheit, die von General Leclerc ausgeschickt wurde, stellte fest, dass mehrere Kisten aufgebrochen und zwei davon leergeräumt waren und dass eine komplette Silbersammlung fehlte. Sie entschied, 36 der 148 Kisten, gefüllt mit wichtigen Werken von Renoir, Picasso, Gauguin und anderen großen Meistern, an den Louvre zu schicken. Das war der Großteil der Sammlung von Paul Rosenberg, einem berühmten Pariser Kunsthändler, dessen Sohn zufällig der Kommandeur jener Division der Streitkräfte des Freien Frankreich war, die den Zug untersuchte. Aber dann musste Rose Valland frustriert zusehen, wie fast weitere zwei Monate verstrichen, bis auch die übrigen Kisten aus dem Zug entladen und ins Museum zurückgebracht wurden. Aber selbst als sie jetzt im Dezember, bei Kälte und Schnee, auf den Bahnhofsvorsteher wartete, damit er ihr die restliche Ladung des Zuges zeigte, war ihre Motivation ungebrochen.
»Wir möchten den Bahnhofsvorsteher sprechen«, sagte James Rorimer zu dem Wächter am Gare de Pantin und hauchte sich in die Hände, um die Kälte zu vertreiben. Hinter ihm nahm Rose Valland gedankenversunken einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette. »Ich weiß, es ist ein Laster«, hatte sie zu Rorimer in einem ihrer ersten Gespräche gesagt, »aber wenn ich rauchen kann, dann sehe ich nur noch meine Arbeit.« 138
Sie war immer so geheimnisvoll, sagte schlaue, rätselhafte Dinge. Er wusste nie recht, woran er mit ihr war. Sie hatten ein recht gutes Verhältnis zueinander, zweifellos. Henraux – der, ähnlich wie zuvor schon Jaujard, Rorimer gedrängt hatte, so viel wie möglich von Valland in Erfahrung zu bringen – bestätigte ihm ebenfalls, dass sie ihn beobachtet hatte und ihn verehrte. Und Valland hatte eine Woche vorher, am 16. Dezember, auch selbst etwas geäußert, als er mehrere weniger bedeutende Bilder und Stiche, die in einer amerikanischen Militäreinrichtung entdeckt worden waren, der Kommission übergeben hatte. »Danke«, hatte sie gesagt. »Viel zu häufig haben uns die anderen Befreier schon den schmerzhaften Eindruck vermittelt, dass sie in ein Land einmarschiert sind, dessen Einwohner keine Rolle mehr spielen.« 139 Das war das Persönlichste, was Rose Valland je von sich preisgab.
Aber wie gut war ihr Verhältnis wirklich? Und wie stark vertraute ihm Valland? Rorimer dachte an die Geschichte, die ihm Jaujard erzählt hatte: Wie Valland allein auf sich gestellt sich gegen die Menschenmenge behauptet hatte, die am Tag des Einzugs von General Leclerc in Paris das Jeu de Paume gestürmt hatte. Sie ließ nicht zu, dass die ganze aufgebrachte Menge in den Keller strömte, wo die Sammlungen des Museums während der Besatzung gelagert worden waren.
»Sie versteckt Deutsche!«, rief jemand.
»Kollaborateurin!« Der Ruf hallte durch das Gebäude. »Kollaborateurin!«
Ruhig, trotz des Gewehrs in ihrem Rücken, hatte Valland ihren französischen Landsleuten gezeigt, dass der Keller leer war bis auf den Heizungskessel, Rohre und Kunstwerke. Und dann scheuchte sie die Leute hinaus, obwohl diese protestierten. Sie war kein Schwächling, so viel war klar. Sie war stark, starrköpfig leicht zu unterschätzen und misszuverstehen. Sie hatte eigene Vorstellungen über Pflicht und Ehre, und sie hielt sich an ihre Grundsätze, auch wenn ihr jemand eine Schusswaffe in den Rücken drückte. Rorimer war nicht sicher, ob Jaujard ihm diese Geschichte erzählt hatte, um ihm zu zeigen, wie vertrauenswürdig und entschlossen sie war, oder ob er dadurch eine feine Trennlinie zwischen sie und sich ziehen wollte. Schließlich war auch Jaujard von seinen Landsleuten bedroht worden.
Aber Rorimer hatte Fortschritte gemacht. Als er die geborgenen Objekte am 16. Dezember bei Valland im Jeu de Paume ablieferte, hatte er Albert Henraux aufgesucht, den Leiter der Commission de Récupération Artistique. Dieser teilte ihm mit, wo die neun Depots des ERR lagen, und erzählte ihm auch von den noch ungeöffneten Eisenbahnwaggons. Henraux ermutigte ihn, bei der Untersuchung dieser Depots mit Valland zusammenzuarbeiten. »Sie weiß mehr, als sie Ihnen bisher gesagt hat, James. Vielleicht können Sie herausfinden, was das
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