Monuments Men
Verpackungsmaterial in Kisten verstauten. In ihren Augen stand Angst, und man sah, dass sie fliehen wollten. Was war aus der viel gerühmten deutschen Disziplin geworden?
Rose Valland erinnerte sich, dass sie den Wunsch verspürte, sich von Behr zu nähern, etwas zu ihm zu sagen, etwas Demütigendes am liebsten. Doch der Oberst war von Männern mit Maschinenpistolen umringt. Dommage, hatte sie gedacht, schade. 136 Dann hatte er zu ihr geschaut, und sie hatte Wut und ein gefährliches Funkeln in seinen Augen gesehen. Da schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf: Die Zeugen eliminieren.
»Oberst von Behr«, sagte ein Soldat. Von Behr wandte sich von ihr ab und schaute ihn finster an. »Die Lastwagen sind fast voll, Herr Oberst.«
»Besorgt noch welche, ihr Dummköpfe«, brummte er.
Bevor er sich wieder ihr zuwenden konnte, war Rose Valland weggegangen. Es war nicht an ihr, von Behr zu verhöhnen, und sie war auch keine Attentäterin. Ihre Rolle war die der Spionin, der stillen grauen Maus, die langsam aber sicher ein Loch in die Fundamente des Hauses nagte. Vier Jahre Besatzung würden nun in wenigen Tagen, vielleicht gar Stunden ihr Ende finden. Wenn es jemals angebracht war, sich unauffällig zu verhalten, dann jetzt.
Aber ihre Beharrlichkeit hatte sich wie üblich ausgezahlt. Die Lastwagen, die das Museum mit den letzten geraubten französischen Kunstwerken verließen, sollten nicht direkt nach Deutschland fahren. Bei ihrem Rundgang durch das Museum hatte Valland erfahren, dass der Bahnhof in Aubervilliers am Rande von Paris ihr Ziel war, wo ihre Fracht in Personenwaggons verladen werden sollte.
Am nächsten Tag, dem 2. August 1944, wurden fünf Eisenbahnwaggons mit 148 Kisten Beutekunst in Aubervilliers versiegelt. Der ERR hatte in großer Eile die letzte Lieferung vom Jeu de Paume fertig gemacht, aber einige Tage später standen die Waggons noch immer im Bahnhof. Der Kunstzug sollte noch um 46 weitere Waggons mit geraubten Kunstgütern ergänzt werden, die im Rahmen einer weiteren von Oberst von Behr geleiteten Aktion beschafft worden waren, der »M-Aktion« (M stand für Möbel ). Zu Behrs großem Verdruss waren diese Waggons noch nicht vollständig beladen.
Zug Nr. 40044 stand auch noch einige Tage später auf den Gleisen, als Rose Valland ihrem Vorgesetzten Jacques Jaujard einen Besuch abstattete. Sie hatte die Transportanweisung abgeschrieben in der die Waggonnummern, die Zielorte der Kisten (Schloss Kogl in der Nähe von Vöcklabruck in Österreich und das Depot Nikolsburg in Mähren) sowie ihr Inhalt angegeben waren. Sie schlug vor, man solle versuchen, die Abfahrt des Zuges zu verzögern. Schließlich waren jeden Tag die Alliierten zu erwarten.
»Einverstanden«, erwiderte Jaujard.
Als von Behr auf den Bahnsteig stürmte und die Wachen und die Soldaten beschimpfte, die noch mit dem Beladen der Waggons beschäftigt waren, nutzten Jaujards Kontaktleute in der Résistance die Informationen, die von Rose Valland stammten um den Zug zu stoppen. Am 10. August war der Kunstzug abfahrbereit, aber da traten tausend französische Eisenbahner in den Streik, und er konnte Aubervilliers nicht verlassen. Am 12. August waren die Gleise wieder offen, aber anstatt nach Deutschland abzufahren, wurde der Kunstzug auf ein Nebengleis geschoben um Platz zu machen für andere Züge, die verschreckte deutsche Staatsbürger und ihre persönliche Habe beförderten. Die deutschen Wachposten, die nach zehn Tagen erschöpft waren, marschierten nervös hin und her und wünschten sich wohl, sie wären schon zu Hause. Die französischen Truppen, so munkelte man, seien nur noch ein paar Stunden entfernt. Zudem traten kleinere technische Probleme auf, sodass der Zug in der Reihenfolge der zu erledigenden Aufgaben ganz nach hinten gerückt wurde. Die französischen Soldaten ließen sich allerdings nicht blicken. Die jungen Männer seufzten erleichtert. Nach fast drei Wochen setzte sich der Zug schließlich in Richtung Deutschland in Bewegung.
Aber er kam nur ein paar Kilometer weit bis Le Bourget. Mit seinen 51 Waggons, die vollgestopft waren mit Beute, war der Zug so schwer, dass ein Motordefekt auftrat (so lautete jedenfalls die Entschuldigung), der einen 48-stündigen Aufenthalt erforderlich machte. Als dieses Problem schließlich behoben war, war es zu spät. Die Kämpfer der Résistance hatten an einem wichtigen Engpass der Bahnlinie zwei Lokomotiven zum Entgleisen gebracht. Der Kunstzug saß in Paris in der Falle. »Die
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