Monuments Men
– die vielen unschätzbar wertvollen Kunstobjekte die sich im Eigentum der Bürger befanden. Jaujard hatte eine Tür in diese verlorene Welt geöffnet, aber Rose Valland, das erkannte James Rorimer, sollte seine Führerin sein.
Die ersten neun Lagerstätten, die Valland ermittelt hatte, waren Gebäude. Die zehnte, und eindeutig die wichtigste, war der Kunstzug. Im August waren 36 Kisten, die sie während der letzten Tage der deutschen Besatzung identifiziert hatte, zur Aufbewahrung in den Louvre gebracht worden, aber Anfang Oktober befanden sich die übrigen 112 Kisten noch immer im Zug ... und der steckte irgendwo. Und trotz Jaujards wiederholter Bitten wollte niemand etwas über seinen Verbleib mitteilen. Irgendwo wusste irgendjemand, auf welches Gleis der Zug geschoben worden war, aber diese Informationen wurden in den Behörden nicht weitergegeben. Das Rätsel wurde schließlich am 9. Oktober gelöst, als die Polizeistation in Pantin Kontakt mit dem Louvre aufnahm. Sie hatte sich mehrmals an die Regierung gewandt, aber niemand hatte irgendetwas unternommen wegen des Zuges, der in der Nähe des Bahnbetriebswerks Pantin unter der Edouard-Vaillant-Brücke abgestellt war. Die Polizeistation verfügte nicht über genügend Männer, um die wertvolle Fracht zu bewachen, und darüber hinaus stand der Zug gefährlich nahe bei den Frachtzügen, die mit Munition beladen waren. Sogleich wurde die Museumsgemeinde aktiv.
Am 21. Oktober teilte Rose Valland in einer Notiz an Jacques Jaujard mit, dass zwischen dem 17. und 19. Oktober die letzten 112 Kisten der »geborgenen Gemälde« zum Jeu de Paume gebracht worden seien. Mehrere seien geöffnet und ausgeräumt worden, berichtete sie, und äußerte die Befürchtung, dass »die meisten Waggons in diesem Zug, der geraubten Besitz von Juden beförderte auf ähnliche Weise geplündert worden« seien. 143 Diese 46 Waggonladungen wollten Rorimer und sie jetzt untersuchen.
»Ich bin Monsieur Malherbaud«, sagte ein älterer Mann und trat aus der Bahnhofstür, »der Stationsvorsteher.«
»Sind Sie der Mann, der den Kunstzug ausfindig gemacht hat? Den Zug, der Werke von Cézannes und Monet an Bord hatte?«
Der Mann warf einen argwöhnischen Blick auf Rorimers Uniform und schaute dann zu der unauffälligen Frau mit der Zigarette. Es gab noch immer zahlreiche deutsche Spione und Saboteure in Paris, und die meisten waren sehr geübt darin Racheakte zu verüben. Daher war es klug, sich vorsichtig zu verhalten.
»Warum fragen Sie?«
»Ich bin Leutnant Rorimer von der United States Army, Abteilung Seine. Das ist Mademoiselle Valland von den Musées Nationaux. Sie hat die Résistance über die Verschickung informiert.«
»Tut mir leid«, sagte der Bahnhofsvorsteher. »Die Kunstwerke waren schon ausgeladen worden. Es war nichts mehr da.«
»Wir möchten uns gern den Rest des Zuges ansehen.«
Der Mann wirkte überrascht. »Dann folgen Sie mir.«
Der Inhalt der Waggons war in ein unscheinbares Lagerhaus gebracht worden.
»So viel zu nichts«, sagte Rorimer zu Valland, als der Stationsvorsteher das Tor des Lagerhauses aufzog. Der Anblick, der sich ihnen bot, entsprach ganz und gar nicht seinen Erwartungen. Er wusste nicht genau, was er eigentlich erwartet hatte, zweifellos aber keinen riesigen, ungeordneten Haufen von gewöhnlichen Haushaltsgegenständen. Er erblickte einen enormen Berg von Sofas, Stühlen, Spiegeln, Tischen, Töpfen, Pfannen, Bilderrahmen und Kinderspielzeug, der mindestens doppelt so hoch war wie er selbst. Die Menge war überwältigend, doch war es nichts anderes als eben die Ladung von 46 Eisenbahnwaggons. Die „M-Aktion“, so wurde nach dem Krieg festgestellt, hatte insgesamt 29 436 Waggonladungen solcher gewöhnlicher Haushaltsgüter nach Deutschland geschafft.
Deswegen ist der Kunstzug aufgehalten worden?, dachte Rorimer zutiefst enttäuscht. Das ist wertlos. Lauter Plunder. Dann bremste er sich. Die Sachen waren nicht wertlos, sie waren das Hab und Gut von Menschen – die Dinge, die ihr Leben ausgemacht hatten. Die Nazis waren in die Häuser eingedrungen und hatten einfach alles mitgenommen, sogar die Familienfotos.
»Das haben Sie wohl nicht erwartet, oder?«, sagte Valland und schob die Hände in die Taschen.
Die versteckte Botschaft in ihrer schlichten Bemerkung traf Rorimer wie ein Blitz. Sie hatte die Nummern der Waggons gekannt, in denen die Wertsachen versteckt waren; Rose Valland hatte gewusst oder zumindest stark vermutet, dass in diesem Zug
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